Vernetzte Geschichte(n): Israel in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur - Prof. Dr. Doerte Bischoff - Universität Hamburg
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06.07.2021
Vernetzte Geschichte(n): Israel in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur
Die allmähliche Auflösung einer traditionell bipolaren Konstellation deutsch-jüdischer Literatur manifestiert sich gegenwärtig nicht nur darin, dass zunehmend Migrationserfahrungen von Autor*innen vor allem aus Osteuropa literarische Verhandlungen von Identität und Zugehörigkeit prägen. Auch indem Israel als Schauplatz auf neue Weise Bedeutung gewinnt, vervielfältigen sich die Bezüge und Loyalitäten, welche die Figuren bestimmen. Fünfzig Jahre nachdem Gershom Scholem „Israel und die Diaspora“ als durch das Trauma der Shoah geprägt und aufeinander bezogen beschrieben hat, lässt sich diese Struktur noch immer in Gegenwartstexten nachvollziehen. Indem Israel allerdings zugleich als Land unter anderen reflektiert wird, werden auch neue Akzente und Perspektiven auf geteilte Erinnerungen und ein Zusammenleben jenseits homogenisierender Gemeinschaftsentwürfe sichtbar. Indem die Figuren in Texten von Doron Rabinovici, Vladimir Vertlib, Dimitrij Kapitelmann oder Katharina Hacker schließlich nach Europa zurückkehren, wird, so die These, nicht die Diaspora privilegiert, vielmehr werden transnational vernetzte Erinnerungs- und Handlungsräume in den Blick genommen.
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Die Idee zu der Tagung knüpft an die Beobachtung an, dass sich mit der Staatsgründung Israels 1948 parallel zu den beiden deutschen Staatsgründungen deutsch-jüdische Konstellationen grundlegend verändert haben. Wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden neue Bedingungen für Begegnungen zwischen Gemeinwesen geschaffen, deren Menschen durch die für viele Individuen sowie für die kollektive Erinnerung prägende, aber gegensätzliche Holocausterfahrung miteinander verbunden waren. Heute, mehr als siebzig Jahre nach den Staatsgründungen, lassen sich nicht nur unterschiedliche nationale Geschichten rekonstruieren. Vielmehr ist die Geschichte Deutschlands und Israels auf vielfache Weise verflochten, was die Beschreibung markanter historischer Ereignisse, spezifischer Institutionen und Erinnerungsnarrative unter dem Aspekt der histoire croisée bzw. von entangled memories nahelegt. Perspektiven auf Begegnungen und Zusammenarbeit, die durch die Existenz eigenständiger politischer Systeme, Rechtsordnungen, wirtschaftlicher Kontexte und kultureller Aktivitäten gerahmt werden, standen im Verlauf der zwei Tage im Fokus. In den Vorträgen kamen Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Disziplinen zu Wort, die das Mit-, Neben- und Gegeneinander von Israelis und Deutschen in ihren Entwicklungen und Veränderungen in den Blick nehmen, bzw. Israel und Deutschland im jeweils anderen Land nachspüren.
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