Seuchenträger, bedrohte Kinder- und geschützte "Volkskörper". Eine Geschichte des Impfens von 1870 bis heute - Malte Thießen - Universität Hamburg
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Seuchenträger, bedrohte Kinder- und geschützte "Volkskörper". Eine Geschichte des Impfens von 1870 bis heute
Seuchen sind die sozialsten aller Krankheiten: Sie bedrohen nicht nur den Einzelnen, sondern immer auch die Gesellschaft als Ganzes. Schon deshalb ist die Geschichte des Impfens eine Geschichte voller Ängste und Hoffnungen. In seinem Vortrag nimmt Malte Thießen diese Geschichte in den Blick, um den Wandel von Körperkonzepten im 19. 20. und 21. Jahrhundert nachzuspüren. Am Umgang mit schutzlosen Kinderkörpern, mit bedrohlichen "Seuchenträgern" oder immunisierten "Volkskörpern" zeichnen sich Vorstellungen vom "richtigen" Verhalten und von der "gesunden" Gesellschaft ab. Der Zeitgeschichte eröffnet die Erforschung von Impfprogrammen daher neue Zugänge zum Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Allgemeinheit.
Moderation: Sebastian Justke
---Schön, Gesund und Produktiv? Der menschliche Körper als Thema der Zeitgeschichte
Der Körper ist im Gerede. Im Alltag sind wir permanent angehalten. ihn zu pflegen und zu formen. Health- oder Schlaf-Apps und Schrittzähler vermessen ihn. Tabellen informieren und über Normen und Abweichungen. ExpertInnen wie Laien sorgen sich um die richtige Balance zwischen guter Ernährung, ausreichend Ruhe und Phasen gesunder Aktivität.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass das Interesse am Körper in der Moderne zunahm. Die Industrialisierung beförderte Fragen nach körperlicher Leistungsfähigkeit und Effizienz. Nationale Identifikation und Rassismus funktionierten nicht zuletzt über die Ausgrenzung "anderer", "defekter" oder "hässlicher" Körper. Geschlechter- und Klassenunterschiede wurden auch mit dem jeweiligen Wissen über den Körper begründet. Aber was galt wann als gesund, schön oder produktiv? Wer hatte die Deutungsmacht darüber? Auf welche Weise prägten Erwartungen an den menschlichen Körper sowie konkrete körperbezogene Praktiken Gruppenidentität und Selbstbilder?
In fünf Vorträgen über den Schlaf, das Impfen, die Kalorie, das Doping und das fordistische Leistungsdenken wird diesen Fragen nachgegangen und ausgelotet, wie der Körper zu einem spannenden Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung werden kann.