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Ja, herzlichen Dank den Organisatoren dieser Vorlesung. Ich freue mich wahnsinnig über die Gelegenheit,
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hier über ein Buch sprechen zu dürfen,
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das mir oder das mir schon zu meiner Studienzeit ungeheuer viel bedeutet hat und mich eigentlich bis heute fasziniert,
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aufgrund der Radikalität, das darin vorgetragene Denkens.
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Ich werde hier, als ich seinerzeit mit Frau Kindermann besprochen habe,
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wie wir diesen Abend gestalten, wovon dieser Vortrag handeln soll,
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bin ich damals auf die Idee gekommen,
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noch einen weiteren Denker zu Wort kommen zu lassen,
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der in dieser Ringvorlesung sicherlich auch vorgekommen wäre,
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wenn es noch zwei, drei Sitzungen mehr gegeben hätte.
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Ich meine, Georg William Friedrich Hegel,
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ich will auf Hegels Geschichtsphilosophie hier zu Beginn meines Vortrags etwas eingehender zu sprechen kommen,
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weil ich glaube, dass man das Anliegen der Dialektik der
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Aufklärung von Hockheim und Ladorno gar nicht recht verstehen kann,
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wenn man nicht das Anliegen Hegels bzw. Hegels Geschichtsphilosophie kennt.
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Ich werde diese Überlegung dann am Schluss, wie weiter mit,
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in eine Zeitdiagnose münden lassen und habe mir hier einen Bereich rausgesucht,
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den man heute unter dem Stichwort wieder erstarken der Religionen des und es wird vermutlich nicht ausbleiben,
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dass ich dem einen oder anderen, der hier Anwesenden,
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sozusagen philosophisch auf die religiösen Füße treten wäre.
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Aber ich glaube, dass das Projekt der Aufklärung heute ein
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Projekt neuerlich wäre, dass zumindest das Risiko eingehen muss.
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Religiöse Empfindlichkeiten zu verletzen. Ich habe, ach, das ging
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ja schnell gut. Gut, habe ich mich ein bisschen rangeschmissen.
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Ich habe mich entschieden, sozusagen den klassischen Manus,
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das Genre, das klassische Manuskript-Vortrag zu wählen. Das hat den Nachteil,
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dass ich Ihnen hier heute keine bunten Bilder zeigen kann,
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mit denen die düsteren Gedanken zu vertreiben werden,
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um die es hier heute gehen wird.
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Es hat aber den Vorteil, dass ich Ihnen ziemlich genau sagen kann,
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dass ich in etwa 58 Minuten fertig sein werde,
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wenn ich sozusagen freier zu PowerPower-Power-Point-Slides vortragen würde,
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wäre das ein wenig oder weniger berechenbar.
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58 Minuten ab jetzt. Mein Landteil ist,
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soll ja heute um die Zukunft des Projekts Aufklärung gehen,
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um den feierlichen und grandiosen Optimismus,
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der einzeln diesem Fortschrittsprojekt verknüpft gewesen ist,
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aber vor allem auch um dessen Risiken und Nebenwirkungen
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Tatsächlich wird es ja die zentrale These von Max Horkheimer und Tier- oder wie Adorno sein,
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dass eben diese Risiken und Nebenwirkungen der Aufklärung dafür verantwortlich sind,
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dass der hoffte Fortschritt längst in sein Gegenteil umgeschlagen ist und
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eine Reihe verhängnisvoller Rückschritte mit sich gebracht hat.
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Um was aber genau geht es,
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wenn die Philosophie von Aufklärung spricht, die alle kennen,
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die berühmte und seinerzeit doch sehr optimistisch gemeinte Definition Immanuel Kanz,
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die besagt,
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ich zitiere,
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Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündlichkeit
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Diese philosophische Pathos-Formel hat in der Folgezeit die Fantasie unzähliger nach
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Vernunft- und Freiheitsstreben der Humanisten und auch die Werke bedeutender Geschichtsphilosophinnen und Philosophen beflügelt.
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Man wollte an ein beständiges, emanzipatorisches Fortschreiten der Menschheit im Namen,
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eben jene Vernunft und Freiheit glauben,
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aber etwa auch im Namen der Demokratie der Menschenwürde und heute eben auch der Menschenrechte.
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Als jedoch Max Horkheim Van Theodor wie Adorno zu Beginn der 1940er Jahre,
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das heißt inmitten des Krieges,
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im amerikanischen Exilweilen und dort die Dialektik der Aufklärung schreiben,
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sehen sich die beiden mit einer weltpolitischen Großwetterlage konfrontiert,
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In der weit eher globale Unvernunft, globale Unfreiheit,
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Tyrannei und totale Entmenschlichung zu kulminieren scheinen.
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Die Welt scheint aus den Fugen geraten und aus dem
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Ersten Weltkrieg überhaupt gar nichts gelernt zu haben.
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Der Zweite Weltkrieg wütet umso grausamer. Der deutsche Faschismus verfolgt
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nicht bloß wahnwitzige, außenpolitische Expansionsbestrebungen, sondern vor allem auch
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die völlige Auslöschung des europäischen Judentums.
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Längst geht in Amerika die schreckliche Kunde von dem nationalsozialistischen Vernichtung
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zu lagern um. Hockheimer und Adorno wissen bereits von den
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Gaskammern und notieren dies auch im Buch
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Und mit dem sowjetischen Stalinismus und dessen barbarischen Säuberungsprogrammen scheint sich zudem
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auch noch endgültig die kommunistische Großalternative zum kapitalistischen Westen erledigt zu haben.
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Woran sollte angesichts dieser Katastrophe, also fragen sich Hockermundadorno,
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eine Nachaufklärung dürstende Philosophie noch länger festhalten können?
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Die Dialektik der Aufklärung nimmt sich da mit der philosophisch schwierigen Aufgabe an,
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die grassierende Barberei philosophisch und auch zeitdiagnostisch auf den Begriff zu bringen.
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Und die Provokation des Buches liegt vor allem darin,
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dass dieses Buch die Schuld für die schier aussichtslos erscheinende Lage,
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in die das Projekt der Aufklärung geraten ist,
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den Projektleitern der Aufklärung selbst in die Schuhe schiebt
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Eben, das wird mit dem auf den ersten Blick
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vielleicht schwer verständlichen Titel des Buches gemeint sein.
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Die Aufklärung selbst unterliegt von Beginn an einer unheilvollen Dialektik,
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die an das Schicksal von Goethes Zauberlehrling erinnert.
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Die Aufklärung will Ordnung ins Chaos der Unvernunft bringen,
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ruft dabei jedoch unheilvolle Geister auf den Plan.
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Diese verselbstständigen sich, kehren sich schließlich destruktiv gegen den Zauberlehrling
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und lassen so das Anliegen der Vernunft in völlig neue Formen heilloser Unvernunft umschlagen.
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Herr, die Not ist groß. Dich rief die Geister
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, werde ich nun nicht los
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Weniger poetisch ausgedrückt. Hockheim und Adorno sind der Auffassung,
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dass die Aufklärung nicht etwa das Opfer von Krieg, Faschismus und Stalinismus ist.
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Vielmehr lautet die philosophisch Verstörende, dialektische Grundthese des Buches,
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Krieg, Faschismus und Stalinismus sind selbst nur unterschiedliche Erscheinungsformen.
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Einer zivilisatorisch gereiften Aufklärung. Nun ist freilich immer dann Vorsicht geboten,
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wenn Philosoph findet und Philosophen den Begriff Dialektik ins Spiel bringen.
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Denn nur zu oft handelt es sich um ein diskursives Ausweichmanöver,
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gezielt, die Verlegenheit überspielt werden soll,
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argumentativ nicht mehr so recht weiter zu wissen. Ein klarer Tipp,
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wenn Sie einmal in einer philosophischen Auseinandersetzung von Ihrem Gegenüber eines logischen Widerspruchs überführt werden,
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weil Sie angeblich zugleich A und Nicht behauptet haben,
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so können Sie stets die folgende Ausflucht nutzen,
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du verstehst einfach nichts von Dialektik.
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Tatsächlich ist die Dialektik ja eine Art Denkkunst,
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die aus Widersprüchen philosophischen Profit schlagen will. In ihren Anfängen,
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etwa bei Sokrates, Sie kennen das sicher alles,
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handelt es sich um eine Kunst der Widerrede.
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Irgendjemand behauptet etwas, So gerade das behauptet garantiert, genau das Gegenteil.
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Und durch eben diese Besserwisserei gelangen beide im Laufe der Unterredung
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zu manchmal ganz neuen, manchmal lediglich etwas verbesserten, besser begründeten Überzeugungen.
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Später wurde es dann vor allem Biorg William Friedrich Hegel sein,
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der aus der Dialektik ein bis heute, an Größe,
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wohl unübertroffenes System zimmerte.
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Im Kern aber blieb es, weil jeder so kratischen Methode,
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hier vielleicht nur ein Beispiel, eine Philosophin sagt,
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Sokrates ist sterblich, die berühmte These.
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Und ihr Gegenüber erwidert Sokrates ist unsterblich
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Die sogenannte Antithese, was nun, wenn beide keinen Krach haben wollen,
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so könnten die sich in etwa auf die folgende Synthese einigen,
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Sokrates, musste sterben, um unsterblich zu werden.
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So einfach ist das. Nun, so einfach ist das natürlich nicht,
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schon gar nicht bei Hegel und erst recht nicht bei Hockheimer und Adorno,
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den beiden Gründungsvätern dessen,
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was man die kritische Theorie oder auch die Frankfurter Schule nennt.
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Denn in ihrem Fall kommt erschwerend hinzu,
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dass sie ein Programm der Negativ, der negativen Dialektik verfolgen.
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Gemeint ist eine Methode, die sich im Gegensatz etwa zu Hegel ostentativ weigert,
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zur philosophischen Aufhebung der Widersprüche und damit zur Synthese fortzuschreiten.
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Dazu wäre nach Ansicht von Hockheim oder Donau schlichtweg viel zu viel philosophischer Optimismus nötig.
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Ein Optimismus, den die beiden Exzellanten gründlich verloren zu haben scheinen.
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Deshalb greifen sie in ihrem Denken auf eine Methode zurück,
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die gezielt, in der durch die Antithese bewirkten,
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Negation verharren will. Und zwar deshalb,
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weil sich die völlige Aussichtslosigkeit der Weltlage selbst noch auf der
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methodischen Ebene des Gebrauchs jener philosophischen Denkwerkzeuge niederschlagen muss,
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mit denen man
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diese Weltlage auf den Begriff zu bringen versucht
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Entsprechend wird dann auch das Wesen des dialektischen Denkens von den
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beiden im Buch, wie folgt, bestimmt als ein Denken.
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Zitat, worin jedes stets nur ist, was es ist,
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in dem es zu dem wird, was es nicht ist.
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Also stets ist alles nur das, was es ist,
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in dem es zu dem wird, was es nicht ist.
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Mir scheint, man muss diese für Kopf zerbrechen,
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sorgende Denkbewegung verstehen lernen, wenn man das hier in Fragen stehendem Buch,
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die Dialektik der Aufklärung im Kern durchschauen will.
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Noch einmal, also eine Entität X, sagen wir mal,
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die Aufklärung, nimmt allererst Gestalt an als das,
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was dieses X ist
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Indem es zu seinem Gegenteil wird. Das heißt, in
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seinem Gegenteil umschlägt. Man muss das nicht gleich verstehen,
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wird sich hier zunächst aber unwillkürlich fragen wollen,
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was bitteschön ist eigentlich das Gegenteil von Aufklärung?
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Folgt man der berühmten Definition Kanns und negiert diese einfach. So könnte man meinen,
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das Gegenteil der Aufklärung müsste, wenn man so will,
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ein Eingang des Menschen in seine gänzlich unverschuldete Mündigkeit sein.
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Aber das ist offenkundig Unsinn. Und über die ist natürlich nicht sehr dialektisch gedacht.
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Und so wird die geschichtsphilosophisch Zentrale und zunächst reichlich verständlich,
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Anmutende des Cithese des Buches, dann auch ganz anders lauten.
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Ich zitiere, schon der Mythos ist Aufklärung und Aufklärung schlägt in Mythologie zurück.
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Lassen Sie mich kurz andeuten, andeuten, wie ich im Rest meines Vortrages vorgehen möchte.
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Wir bewegen uns bereits auf dem Terrain der Geschichtsphilosophie und in der Geschichte,
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wenn man so will, der Philosophie der Geschichte,
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lassen sich wohl nur wenige Großentwürfe ausfindig machen,
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die sich auf Anhieb der Art fundamental widersprechen dürften,
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wie die als heillos optimistisch geltende Fortschrittsgeschichte Hegels einerseits Und
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eben die als Durchweg pessimistisch verschmähte Verfallsgeschichte der Dialektik,
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der Aufklärung andererseits.
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Aber so verschieden diese beiden geschichtsphilosophischen Großprojekte auch ausfallen,
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deren Kritikerinnen und Kritiker sind sich bis heute in wenigstens einer Hinsicht vollends eilig.
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Sowohl mit Hegels Glauben an einen unaufhaltsamen, Zitat,
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Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit, Zikatende,
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als auch mit Hockheimers und Adornus-Diagnose eines Gattusgeschichtlich unentrinnbaren,
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wie es heißt, Verhängniszusammenhangs.
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Sein derart totale Erklärungsansprüche angemeldet, das im Grunde in
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beiden Fällen konstatiert werde, dass die Geschichte bereits gelaufen sei
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Während Hegel das Ende einer vernünftigen Heilsgeschichte gekommen sah,
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in deren Verlauf die höchste Stufe menschlicher Freiheit erklommen worden sein soll.
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Gemeinden Horkheim oder Adorno, ganz in apokalyptischer Tradition stehend,
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davon ausgehen zu müssen,
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dass der Abgrund totalitärer Barberei erreicht sei und zwar endgültig.
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Aus unserer heutigen Sicht, die doch,
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so fährt die Kritik dann für gewöhnlich fort,
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könne keine dieser beiden Diagnosen noch irgendeine, zumindest empirische Aussagekraft beanspruchen.
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Die Geschichte laufe ja munter weiter und deshalb könnt ihr festgestellt
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werden, dass sich beide geschichtsphilosophischen Großentwürfe
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Und mit ihnen vielleicht auch das Geschäft der klassischen Geschichtsphilosophie insgesamt erledigt haben.
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Im Dienst will ich im Folgenden bestreiten,
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die beiden auf den ersten Blick disparat wirkenden, geschichtsphilosophischen Mammutprojekte,
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haben keineswegs ihr Wesentliches bereits eingebüßt.
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Doch wird man sich deren Bedeutung erst dann verständlich machen können,
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wenn man sie unmittelbar zusammenliest. Hegel einerseits,
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Hockheimer und Adorno, andererseits müssen so aufeinander bezogen werden,
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dass sie im klassisch dialektischen Sinne vermittelbar werden
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Dann erst bedeutlich, dass die Dialektik der Aufklärung konsequent das philosophische Erbehegels antritt.
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Sie nehmen ihren geistigen Überfahrt über Vater lediglich beim Wort und kehren dessen philosophische Methode,
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nach der alles ist, was es ist,
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indem es zu dem wird, was es nicht ist,
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noch gegen die scheinbar längst aufgeklärte Idealist,
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idealistische Vernunft selbst,
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bis schließlich auch diese ihre voll ins Unvernünftigen Jahr verhängnisvollen Schatten seid offenbart.
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Daher beginne auch ich hier mit einigen Andeutungen,
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wie ich selbst das geschichtsphilosophische Grundanliegen Hegels verstehe
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Wenn heute alterssprachlich von der Geschichte die Rede ist,
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dann wird für gewöhnlich nur noch selten Unterschieden zwischen der Art und Weise,
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wie im Nachhinein, über historische Begebenheiten berichtet,
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erzählt wird und den berichteten Geschehnissen als solch.
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Als jedoch hegelt in den Jahren 1822 bis 1831
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seine Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte hält,
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da ist seine Auffassung vom Wesen der Geschichte noch wie selbstverständlich von der Vorstellung einer Retrospektiven Erzählung geprägt.
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Eine Erzählung, die stets einem roten Faden zu folgen hat,
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wenn sie verstanden werden soll
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Einer spezifisch philosophischen Betrachtung der Weltgeschichte muss in diesem Zusammenhang noch einmal
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eine ganz besondere Aufgabe zukommen. Diese besondere Aufgabe ergibt sich dabei,
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aus Hegels Auffassung von den Aufgaben der Philosophie als solcher.
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Philosophie ist laut Hegel das Geschäft der Vernunft und das Wissen um ihr Tätigsein.
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Im Rahmen dieses Tätigseins verschafft sich die Vernunft Klarheit nicht nur über die Beschaffenheit der Welt,
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sondern stets auch über sich selbst,
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so wie sie sich in uns einzelnen Menschen bloß,
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wenn man so will,
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reflektierend manifestiert,
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ganz unhegelisch gesprochen
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Wenn aber die Philosophie, unser jeweiliges Einzelbewusstsein,
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als vernünftig erkennen können soll, dann muss sie zugleich davon ausgehen,
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dass es auf der Welt insgesamt vernünftig zugeht.
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Warum? Das menschliche Einzelbewusstsein, so Hehl,
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kann nur dann als zur Vernunft fähig aufgefasst werden.
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Wenn es in seiner Umgebung dann auch auf Dinge und Begebenheiten
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trifft, die ebenfalls als vernünftig eingesehen werden können.
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Dies ist, wenn man so will, die philosophisch idealistische
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Grundstimmung hegelt. Und das berühmte Zitat dazu lautet,
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ich zitiere, wer die Welt vernünftig ansieht,
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den sieht sie auch vernünftig an
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Damit reiht sich das Einzelbewusstsein auch das philosophisch Tätige in ein
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großes Ganzes, des Geistes und der Vernunft ein.
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Alle Erscheinungen dieser Welt, so Hegel,
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müssen als Emanation einer Art höheren Vernunft, als Derivate,
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wie hier gesagt, des Weltgeistes verstanden werden.
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Auch wenn das Heerkömmliche, vor allem das nicht philosophische Bewusstsein
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von diesen Zusammenhängen, natürlich gar nichts ahnt.
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Vielmehr findet sich der Weltgeist in seinen alltäglichen,
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menschlichen Erscheinungsformen auf unvernünftige Weise,
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wie gesagt,
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Und es ist die Philosophie,
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in deren Rahmen man im Weltgeist geradezu dabei zusehen kann,
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wie dieser sich seiner Bestimmung folgend reflektiert und befreit,
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um dadurch mehr und mehr zu sich zu kommen.
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Demnach findet in der Philosophie mit jedem besonderen Bewusstsein immer
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auch ein Teil vom allgemeinen Weltgeist zu sich,
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in dem sich das philosophische Einzelbewusstsein sozusagen als ein Weltgeistchen oder so erkennt.
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Man darf sich das für den Moment sehr wohl wie ein Schlossgespenst vorstellen,
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das nicht zur Ruhe kommt, weil es in diesem Leben
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noch irgendeine Richtung zu begleichen hat und die Rechnung und wie es hegel geht,
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ist die Rechnung der Freiheit.
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Solange der Weltgeist ein Zweiter ist,
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herrscht Unfreiheit und erst im Bewusstsein seiner Selbst in Denken der Unabhängigkeit
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und damit in Freiheit fände der unruhige Geist seine endgültige Bestimmung sein versöhnliches
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Bei sich selbst sein. Damit sind wir bei der Funktion
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einer spezifisch-philosophischen Betrachtung der Weltgeschichte angelangt. Aus Sicht von Hegel
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muss die gesamte Entwicklung der Menschheit so verstanden werden,
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als sei diese dazu bestimmt, den Entzweiten Weltgeist aus Zuständen
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einer noch nicht befreiten noch nicht verwirklichten Vernunft herauszuführen.
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Erzählt wird also die Geschichte vom, wie Hegel sagt,
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Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit, die Talente.
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Genau das ist der gesuchte rote Faden, dem die Geschichtsphilosophie zu folgen hat.
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Sie hat aufzudecken, inwiefern und wo es in der Menschheitsgeschichte
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vernünftig zugegangen ist. Natürlich sieht auch Hegel,
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dass es in dieser Geschichte oft auch vollends unvernünftig zuzugehen scheint.
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Doch der oberflächliche Blick auf diese vermeintliche Unvernunft täuscht.
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Selbst offenkundig, unvernünftige, ja katastrophale Entwicklungen, so Hegel,
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sind und bleiben auf die Idee der vernünftigen Freiheit bezogen
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Indem sie umso deutlicher, deren Defizitäre und damit unhaltbare Entwicklungsstadien vor Augen treten lassen.
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Eben das ist die berühmt-berüchtigte List der Vernunft, von der Hegel spricht,
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im Zuge all der furchtbaren und blutigen Kämpfe auf,
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wie Hegel sagt, der Schlachtbank der Geschichte,
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hält die Vernunft sich geflissentlich im Hintergrund bereit.
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Freiheit ist der Endzweck,
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dem sämtliche Opfer auf dem weiten Altar der Erde gebracht werden,
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ohne dass sie es wissen,
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verfolgen alle Menschen gewissermaßen hinter ihrem eigenen Rücken nur das eine gemeinsame Ziel,
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die Realisierung,
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nicht nur ihre eigenen,
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sondern wahrhaft allgemeiner Freiheit
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Diese Vernunftidee wirkt selbst durch die düstersten Zeiten hindurch,
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sie bleibt am Werke, ist nicht unterzukriegen,
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überlebt und nur insofern gilt die von Hegels Kritikern so häufig als reaktionär gescholtene Losung,
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Zitat, was vernünftig ist,
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das ist wirklich und was wirklich ist, das ist vernünftig.
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Das Unvernünftige, das ist damit gemeint, hat dauerhaft keinen Bestand,
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ist in diesem Sinne nicht wirklich, wirkt nicht.
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Jedenfalls nicht dauerhaft, weil der Mensch vernünftige Freiheit will,
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muss jede unvernünftige Unfreiheit früher oder später untergehen
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Dann nun aber die Geschichtsphilosophie,
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den jeweiligen Stand der Verwirklichung von Vernunft und Freiheit, allein retrospektiv,
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das heißt in dem, was bisher war, aufzuspüren,
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vermarkt, ist sie wie Hegel in einer berühmten Formulierung,
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sagt, ihre Zeit in Gedanken gefasst.
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Dass heute oft zur Diskreditierung der Philosophie herangezogene Bild aus
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Hegels Rechtsphilosophie von der berühmten Eule der Minerva,
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die ihren Flug erst mit der einbrechenden Dämmerung beginnt,
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erhält so seine angestammten geschichtsphilosophischen Platz.
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Die Philosophie kann und soll ihrer Zeit gar nicht voraus sein
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Da wichtige historische Ereignisse nicht vorauszusehen sind,
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und daher immer erst retrospektiv ins Blickfeld geraten,
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das heißt dann, wenn sie zu einem vorläufigen Abschluss gelangt sind,
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muss die Philosophie für Prospektive Belehrungen stets zu spät kommen.
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Die spezifisch-philosophische Betrachtung der Weltgeschichte beschränkt dich somit auf das Sammeln von Ergebnissen.
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Am Leitfaden der vernünftigen Freiheit. Und doch lässt sich Hegel
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am Ende seiner Vorlesungen zu einer gewagten Prognose hinreißen.
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Zitiere unsere Welt, wie behauptet er,
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ist in das letzte Stadium der Geschichte eingetreten,
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Die europäische Aufklärung, vor allem die französische Revolution,
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so ist es zu lesen, haben die Voraussetzungen dafür geschaffen,
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dass nun mal jeder Mensch erkennen kann, dass es der Wille des Weltgeistes ist,
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die Verwirklichung der Freiheit aller Menschen herbeizuführen und dauerhaft dann auch zu institutionalisieren.
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Diese Prognose Mark Forsch und aus heutiger Sicht reichlich optimistisch klingen,
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aufmerksame Leserinnen und Leser jedoch werden sofort feststellen,
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dass Hegel selbst einen langen historischen Atem hat,
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die ihm oft unterstellte Überzeugung,
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er selbst habe mit dem zitierten Eintritt in das letzte Stadion der Geschichte,
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bereits deren besiegeltes Ende, behaupten wollen, lässt sich nicht belegen.
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Hegel mag zwar überzeugt sein,
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dass uns mit der Aufklärung ein für alle mal die Idee,
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Leiche, vernünftige Freiheit zu Bewusstsein gekommen ist, doch bedeutet das nicht,
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dass diese vernünftige Freiheit deshalb auch schon umfassend realisiert wäre.
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Um mit Cannes zu sprechen, ein Phänomen wie die französische Revolution,
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Zitat, vergisst sich nicht mehr,
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weil es eine Anlage und ein Vermögen in der menschlichen Natur
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zum Besseren aufgedeckt hat.
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Zitat Ende
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Und man darf, glaube ich, im Geistekant und Hegels hinzufügen,
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es vergisst sich nicht mehr, eben weil noch immer Unfreiheit
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herrscht und weil es hier noch immer einiges zu tun gibt.
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Die endgültige Realisierung der Freiheit jedenfalls sieht das auch Hegel,
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steht aus. Man wird gleichwohl nicht bestreiten können,
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dass Hegel ein zumindest vorläufiges Ende der Geschichte,
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ich sag mal so, herannahen sah.
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Und zwar ein Ende, eben jener Erzählung vom Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit.
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Legendär ist diesbezüglich eine postalische Auskunft Hegels an den Freund Niedhammer aus dem Jahre
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1806. Er habe bei Napoleons Einmarsch in jener,
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ich zitiere, die Weltseele auf einem Pferdesitzen sehen
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Doch war der französische Kaiser für Hegel seinerzeit nicht mehr,
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aber auch nicht weniger als einer jener, wie er es nennt,
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Geschäftsführer des Weltgeistes, von denen die Geschichte eben von Zeit
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zu Zeit todangebend beeinflusst und dann auch merklich vorangebracht wird.
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Und so ist es nicht die Historie selbst,
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die an die Erde gelangt,
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sondern allenfalls die Philosophie der Geschichte und zwar in dem Sinn,
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dass deren Erzählung bei allgemeiner Realisierung der Freiheit fortan kaum mehr etwas zu erzählen hätte.
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Die Eule der Minava würde sich dann bloß noch im Kreis drehen.
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Allerdings werden heutige Leserinnen und Leser Mich eingeschlossen. Diesen geschichtsphilosophischen Optimismus
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kaum mitmachen wollen. Trotz aller finalistischen Unkenrufe der Zunft,
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ich erinnere hier zum Beispiel ein Francis Fukuyama und seinen viel diskutierten Essay,
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das Ende der Geschichte aus dem historischen Endejahr.
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1989 ist heute offenbar weder die höchste Stufe menschlicher Freiheit,
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noch das Ende aller geschichtsphilosophischen Mitteilungsbedürfnisse angezeigt,
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auch wenn heute kaum noch jemand Geschichtsfetoshie betreibt aus Gründen,
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auf die ich zurückkommen werde.
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Vielmehr muss in der Zwischenzeit irgendetwas geschehen sein,
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das dem Ende der Geschichte einen gewissen Aufschub verschafft hat
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Warum aber können wir die sogenannten Nachgeboren heute nicht mehr so
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zuversichtlich wie Einstegel sein? Und eben dieser Zuversicht Hegels,
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dass es in dieser Welt und in der Geschichte unserer Menschheit letztlich vernünftig zu gehe,
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muss spätestens im 20. Jahrhundert ein ernsthafter, geschichtsphilosophischer Zweifel aufkommen.
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Ich hatte es bereits erwähnt,
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als Max Horkheimer und Theodor W. Adorno zu Beginn der
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1940er Jahre im amerikanischen Exil die Dialektik der Aufklärung schreiben,
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da sehen Sie sich mit einer weltpolitischen Großwetterlage konfrontiert,
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in der weit eher globale Unvernunft.
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Globale Unfreiheit, Tyrannei, totale Entmenschlichung zu Kulmini
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Von einer ominösen List der Vernunft ist hier erst einmal nur wenig zu sehen. Ja,
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es mutet zynisch oder vielleicht sogar in Human an,
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die kriegerischen Grolltaten und die Totalitären Barbereien,
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in denen vermutlich nach Schätzungen, ja,
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im gesamten 20. Jahrhundert bis zu 100 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind,
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als,
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wenn man so will,
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trickreiche Kollateralschäden einer sich historisch im Hintergrund haltenden Idee vernünftiger Freiheit
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auslegen zu wollen
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Und so schlagen die eher unsystematischen philosophischen Fragmente,
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philosophische Fragmente, der Untertitel des Buches,
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die dann im Jahre 1944 zunächst auch nur in Amerika veröffentlicht werden,
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einen Durchweg, düsteren, finsteren Tonern.
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Die von Hockheimer und Adorno in diesem Buch vorgelegte Zeitdiagnose ist ein,
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kann man so sagen,
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kulturhermeneutischer Gewaltstreich und konstatiert der vormals als so fortschrittlich gefeierten Aufklärung
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einen Prozess der rastlosen Selbstzerstörung
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Die Autoren setzen sich gleich auf der ersten Seite des Buches,
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nicht weniger als die Klärung der Frage zum Ziel, zitiere,
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warum die Menschheit, anstatt in einen wahrhaft menschlichen Zustand einzutreten,
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in eine neue Form der Barbara Barberei versinkt, Zitat End.
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Im Zuge einer radikalen Dekonstruktion der westlichen Zivilationsgeschichte soll der Selbstzerstörungsprozess
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der Aufklärung auf den Begriff gebracht werden. Wichtig dabei ist,
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für die, die es nicht kennen,
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der Terminus-Aufklärung wird hier nicht etwa wie oft üblich als Epochenbegriff zur Kennzeichnung eines Zeitalters,
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sagen wir,
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von 1650 bis 1800 verwendet,
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sondern auch dazu
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die gesamte Zivilisationsgeschichte ausgedehnt
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Den vermeintlichen Fortschritt der Menschheit insgesamt, im Rahmen ihrer soziokulturellen Humanisierung,
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entlarven Hawkheim und Adorno dabei als einen nahezu linearen Prozess der Gattungsgeschichtlichen Regression,
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der bereits in jenen Frühphasen der Zivilisationsbildung eingesetzt haben soll,
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in denen Menschen wie etwa Odysseus aufgeklärtes Denken,
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allererst in Gang setzten,
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indem sie sich listig von der gewaltigen Übermacht der Natur zu emanzipieren begann.
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Seit diesen frühen Tagen der Menschheit verfolgt die Aufklärung das Ziel,
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den Bann des Mythos zu brechen,
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die Welt zu entzaubern und den Menschen als den Gebieter über
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die Natur einzusetzen
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So Hockheim. Und der Donner im Laufe der Zeit
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sind Mythos und Aufklärung, eine unheilvolle Allianz eingegangen.
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Wie schon erwähnt, lautet die Kernthese des Buches,
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schon der Mythos ist Aufklärung und Aufklärung schlägt in Mythologie zurück.
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Einerseits berichten uns bereits in den frühen Erzählungen,
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die wir heute den Mythen zurechnen, zum Beispiel Humers Odyssee,
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von zivilisatorischen ABC-Schützen, die sich als erste mit Listen und Opferbereitschaft
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gegen die Übermacht der göttlichen Natur zur Wehr gesetzt haben.
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Demnach neigt schon der Mythos zu einer gewissen Aufklärung,
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und zwar in dem Sinn,
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das aufgeklärtes Denken in Mythologie,
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seine frühesten ideengeschichtlichen Wurzeln hat
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Zugleich aber nimmt im weiteren Verlauf der Aufklärung,
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und zwar spätestens dann mit den neuzeitlichen Naturwissenschaften, ein positivistisches Denksystemgestalt an,
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das mit geradezu unerbittlicher Härte gegen jeden mythischen Aberglauben vorgeht.
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Der seantistische Positivismus muss all das als irrational und mythisch verwerfen,
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was sich nicht in sein System der objektiven Berechenbarkeit einpassen lässt.
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Dabei ist das vermeintlich aufgeklärt,
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ideal eines Denken und Mathematik in einsetzenden Wissenschaftsapparates,
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so Walker Moladorno,
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selbst nur ein monströser Aberglauben
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Die positivistische Vorstellung, die gesamte Welt könne nach Art eines
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gigantischen, analytischen Urteils entziffert und beherrschbar gemacht werden.
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Er weist sich als so im gleichen Schlager wie der Mythos.
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Wie der Mythos, den sie zu bekämpfen suchen.
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Damit zur Hackheimer Ladorno scheint das Unheil der Aufklärung besiegelt.
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Sie wird totalitär, indem sie die eigenen Wurzeln,
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ihre mythischen Wurzeln cup. Und deshalb gilt Aufklärung, schlägt
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in Mythologie zurück. Den zivilisatorischen Sündenfall markiert nach Hawkeimer Ladorno
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das Aufkommen der sogenannten Reininstrumentellen Vernunft
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Im Zuge der Abkehr von der mythischen Natur gelangt der Mensch
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zu einer verdinglichenden Form der objektivistischen Weltbetrachtung, die es immer möglicht,
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denkend soweit von der Natur Abstand zu nehmen,
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dass diese Natur manipulierbar und beherrschbar wird.
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Die Emanzipation des Menschen von der Natur schlägt damit aber
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mehr und mehr in eine blinde Beherrschung der Natur um.
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Zudem greift das instrumentelle Prinzip der Naturbeherrschung bald schon auf seinen Urheber den Menschen selbst durch.
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Zum einen wird es in das Prinzip der rationalen Selbstbeherrschung transformiert,
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Menschen lernen ihre Sinne und Triebe zu unterdrücken,
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und ihren Körper auf die Anforderungen reproduktiver und später dann natürlich kapitalistischer Tätigkeiten hin abzurichten.
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Zum anderen bleiben davon auch zwischenmenschliche Beziehungen nicht unberührt.
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Man entnimmt dem Prinzip der Naturbeherrschung vielmehr das instrumentelle Kalkül zur
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Etablierung auf sozialer Herrschaftsbeziehungen. Ob im politischen Raum,
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im Bereich der Ökonomie, in der Kulturindustrie,
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im Geschlechterverhältnis aller Orten hinterlässt die Aufklärung eine Spur der zwischenmenschlichen Versachlichung,
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Verdinglichung,
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Unterdrückung und Ausbeutung
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So findet sich der mutmaßlich aufgeklärte,
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der moderne Mann auf dreifache Weise entfremdet,
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wie die im Anschluss natürlich an Marc sagen.
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Von der unterjochten Natur, der äußeren Natur,
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von seinem domestizierten Selbst und seinen instrumentalisierten Mitmenschen.
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Aufgeklärte List ist so längst in absolute Dummheit umgeschlagen.
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Es herrscht ein Zustand der allgemeinen, wie Sie sagen, Verblendung.
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Der Mensch hat sich die Beherrschung der Natur erkauft mit dem Verlust all dessen,
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was er im Zuge der Naturbeherrschung zu bewahren versuchte.
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Total gewordene Herrschaft gerinnt zum bloßen Selbstzweck
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Der vermeintliche Fortschritt der Menschheit entpuppt sich als ein stumpfes Fortschreiten
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der Macht und als Prozess des Gattungsgeschichtlichen Verfalls,
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die Überreife der Gesellschaft, wie Sie sagen,
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lebt fortan von der Unreife der Beherrschten in einer Durch- und Durchverwalteten Welt,
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vegetiert der Mensch kerklich vor sich hin.
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Er mutiert zum bloßen Gattungswesen zum stumm verfügbaren Durch,
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wie Sie sagen, Unterdruckung wird zur Tugend umgedichtet.
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Menschen werden versehen, Zitat, mit dem Stempel Jude in die Gaskammer geschickt.
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Die nationalsozialistische Barberei, so Hawkham oder Norno,
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ist nicht
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etwa Abkehr
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Von den Geboten aufgeklärter Vernunft, sondern deren letzte Konsequenz. Dass Konzentrationslager exekutiertlos,
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die von Beginn an unheilvolle Dialektik von Mythos und Aufklärung,
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so die These, das ist harter Stoff, klingt stellenweise natürlich total übertrieben.
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Und wer die Rezeptionsgeschichte der Dialektik der Aufklärung kennt,
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weiß auch, was ihr vorgeworfen wird, ihr Durchweg,
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Vernunft kritischer befunden, sei derart Lücken los,
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dass er dem vernünftigen Gehalt,
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den die Aufklärung zweifellos auch habe,
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Unrecht widerfahren lassen
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Außerdem sei die Welt ja dem Faschismus entsprungen und die Geschichte zu neuen Ufern aufgebrochen.
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Zumindest als geschichtsphilosophisch erscheint es also, habe sich die Dialektik der Aufklärung erledigt.
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Sie lassen sich deshalb heute lediglich noch mit ideengeschichtlichem Interesse lesen.
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Aber ist dem tatsächlich so? Handelt es sich bei diesem
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Buch um einen endgültigen Abgesang auf das Projekt der Aufklärung,
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den man nur noch ideengeschichtlich sich zur Gemüte führen kann?
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Ich denke nein. So schwarz, Forkheimer und Adorno auch sehen,
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mögen sie lassen keinen Zweifel darin, daran,
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dass die Idee, Zitat, der Freiheit in der Gesellschaft,
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vom aufklärenden Denken unabtrennbar ist.
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Zitat Ende
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Die Autoren sind der Aufklärung keineswesen müde. Die legen auch
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keinen Bekenntnis zum Irrationalismus ab oder sprechen sich gar für eine
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Rückwendung zum Mütters aus. Sie beklagen lediglich die Tatsache,
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das aufgeklärtes Denken ist bisher versäumt hat,
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wenn man so will, selbstreflexiv zu werden.
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Das bedeutet, sich über sich selbst aufzuklären.
00:34:45
Hockheim und Adorno verlangen eine grundlegende Revision, zivilisatorischer Denkungsart,
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eine Art zweite Aufklärung.
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Dazu muss sich aber die erste Aufklärung zunächst ihres Blauäugigen Fortschrittsglaubens entledigen,
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indem sie sich ihres eigenen katastrophischen Potenzials endlich bewusst wird
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Allenfalls dann mag es ihr gelingen, den weithin blind fortschreitenden Selbstzerstörungsprozess Einhalt zu gebieten.
00:35:10
Erst wenn die Vernunft aus ihrer Verstrickung in instrumentelle Herrschaft
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gelöst wird, keimt wieder so etwas wie Hoffnung.
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Angesichts der historische Katastrophe, hinterlassen Hockheim oder Dorno,
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also eine Art philosophische Flaschenpost. In der Wagenzuversicht,
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dass diese Flaschenpost eines Tages wohlmöglich gefunden und entschlüsselt wird,
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damit, wie sie selbst am Ende des Buches sagen,
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Zitat, es doch nicht ganz mit uns untergeht.
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Damit wird das Projekt der Aufklärung gerade nicht ad acta gelegt
00:35:44
Es wird vielmehr als unvollendet ausgewiesen. Es muss zunächst den
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derzeit agierenden Projektleitern in den Nationalsozialistischen Todeslagern und im sowjetischen Gulak entrissen werden.
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Wir schreiben das ja 1944. Denn gleich sich diese historisch konkrete Front
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in der Folgezeit auflöste, der damit angezeigte Geschichtsphilosophische Schluss,
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ist bis heute aktuell geblieben. Die von Hockheim oder Dorno
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an der Aufklärung geübte Kritik ist nicht etwa als Absage an Hegelsidee,
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an der Vernunft in der Geschichte zu verstehen,
00:36:18
sondern als der Versuch, eine neuen,
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adäquaten Begriff der Aufklärung,
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wenn man so will,
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Zu diesem Zweck wird eine Art Brandrodung des Gesamten sich aufgeklärt,
00:36:30
dünkenden Terrains unternommen, damit darauf eines Tages Neues vielleicht sogar Rettendes erwachsen kann.
00:36:38
Die hegelische Geschichtsphilosophie bleibt dabei stets, der konzeptionelle Ausgangspunkt,
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wie man erscheint, wenn auch entgänzlich indivertierter Perspektive oder wie Adorno selbst
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dann später in der negativen Dialektik sagen wird, Zitat,
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zu definieren, wer der Weltgeist als permanente Katastrophe, Zitat Ende.
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Es macht meiner Ansicht nach daher nur wenig Sinn,
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die Dialektik der Aufklärung selbst als einen eigenen Geschichtsphilosophischen Großentwurf zu lesen,
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der, wenn man so will,
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positivistisch auf die Erklärung empirischer Geschichtsfakten
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aus wäre
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Die negative Fortschrittsgeschichte der beiden Autoren darf nicht in dem Sinne
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historisch materialistisch missverstanden werden,
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als ginge es ihnen um die Rekonstruktion notwendiger historischer Prozesse,
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die unaufhaltsam ins Unheil haben führen müssen.
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Jedenfalls meine These wäre die Dialektik der Aufklärung,
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muss vielmehr als gezielt tendenziöse Gegengeschichte zur Hegel gelesen werden,
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die einen Prozess der selbstkritischen Bewusstwerdung in Gang bringen soll.
00:37:40
Im Lichte der hegelischen Geschichtsphilosophie erweiste sich damit aber nicht einfach
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als deren fatalistische Entgegensetzung,
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sondern als eine Art Ergänzung
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Hockheim oder Dorno konfrontieren Hegel mit dessen eigenen Programm.
00:37:54
Die rigorose Negation des ursprünglichen Programms ist nicht etwa der Versuch einer ergänzlichen Auslöschung,
00:38:00
idealistischen Denkens, die Dialektik der Aufklärung,
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versteht sich vielmehr als Wegbereiter der Aufhebung von Geschichtsphilosophie im hegelischen Sinne.
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Das heißt, als ein notwendiger Fortschritt der philosophischen Reflexion auf
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die historischen Bedingungen der Möglichkeit von Freiheit.
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Hockheim und Adorno sind sich mit Hegeln,
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aber ich bringe auch mit Kant dahingehend völlig einig,
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dass der historische Prozess der Aufklärung den Ausgang des Menschen
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aus seiner selbstverschuldeten Unfreiheit bringen könnte
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Doch aus guten historischen Gründen sind Hawkham oder Dorn skeptischer als ihre geschichtsphilosophischen Überfilter.
00:38:39
Der Zeitpunkt der Befreiung ist nicht schon in greifbarer Nähe,
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war Hegel der Ansicht, sich darauf verlassen zu können,
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dass sich die Freiheit Alsbadbahn brechen würde,
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wird ihm von Hawkham oder Dorno die geschichtsphilosophische Gegenrechnung präsentiert.
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Die Überwindung des Negativen ist nur möglich,
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wenn man das Denken gegen das Denken und die Analyse gegen die Analyse treibt,
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wie es heißt, in der Hoffnung, dass die Vernunft endlich Vernunft annehmen möge,
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macht die Dialektik der Aufklärung, jedem letztlich unkritischen Fortschrittsglauben,
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den Gaos, Sie ist getragen,
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wenn man so will, von der Negativdialektischen Einsicht.
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Das ist nichts Negativeres gibt, als das Gerede von der Positivität,
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von welcher der Wahrhaftpositive am besten gar nicht erst redet.
00:39:27
Damit ist die Geschichtsphilosophie der Freiheit aber weder mit der hegelischen Geschichtssphilosophie
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noch mit ihrem anderen der Dialektik der Aufklärer am Ende.
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Als philosophische Erzählung, die nicht einseitig will,
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wird sie überhaupt erst sinnvoll möglich.
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Das, was die hegelische Geschichtsschreibung vernachlässigen zu können glaubt,
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hat sich aus deren konzeptionelles Defizit erwiesen
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Wo Hegel aufgrund seines idealistischen Philosophieverständnisses glaubte,
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sich auf den Nachweis beschränken zu können und wann und wo
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es in der Geschichte vernünftig zugegangen ist,
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hat sich die Dialektik der Aufklärung als ein Hegel in negativen Vorzeichen entpuppt.
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Horkheim und Adorno beschränken sich darauf, das Wirken einer historischen
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Unvernunft aufzudecken, die sich als Schattenseite der Aufklärung erweist.
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Die Vernunft wird sich,
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wird für sich selbst so lange im toten Winkel bleiben,
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wie sie nicht auch das Bewusstsein ihrer
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eigenen Grenzen und ihrer Zerstörungsleistungen in sich aufnimmt
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Geschichtsphilosophie nach Porkheim und Adorno, das wäre folglich der Versuch,
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die historischen Bedingungen der Freiheit im Wissen, um ihr destruktives Negatives zu erkunden.
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Eine Geschichtsphilosophie, die aus ihrer eigenen Geschichte lernen würde,
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hätte daher beide Perspektiven ineinander zu verschränken. Von Hegel ist zu erfahren,
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dass Geschichte einer Erzählung vom Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit sein kann,
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während bei Hawkeye oder Dorno nachzulesen ist,
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auf welche Abwege die Vernunft dabei geraten kann.
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Geschichtsphilosophie ist weder, allein eine Geschichte über vernünftige Freiheit,
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noch allein einer Erzählung über unvernünftige Unfreiheit,
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sondern ein Bericht zur Lage der Menschheit,
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von der wir nun mehr wissen,
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dass sie schlicht zu allen fähig ist
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Wird dem durchaus pathetischen Ziel Orientierung zu stiften,
00:41:13
referiert sie am Leitfaden von Vernunft und Freiheit,
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den bisherigen Stand der Dinge.
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Und zwar selbst noch dann, wenn sich dieser Leitfaden in
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der historischen Nacht der Katastrophe zu verlieren scheint.
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Karl Löwith hat einmal der Geschichtsphilosophie insgesamt bescheinigt,
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das säkulare Erbe der jüdisch-christlichen Heilsgeschichte angetreten zu haben.
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An dieser Diagnose ist sehr viel dran, wie mir scheint.
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Und auch wenn Hockheim und Adorno eine negative Heilsgeschichte schreiben,
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ihre Flaschenpost ist und bleibt eine Heilsgeschichte
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Genau wie Hegel bleiben auch sie der jüdisch-christlichen Tradition verhaftet,
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indem sie auf das, indem sie auf das,
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wie auch immer, vorläufige Ende einer gerechten Welt hoffen,
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die der Barbarai unwiderruflich entronnen wäre.
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Auch wenn sie es nicht offen aussprechen,
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sie bleiben dennoch dem, wie man sagt, eschatologischen,
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das heißt dem heilsgeschichtlichen Denken treu.
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Dieses Denken, ob ausdrücklich religiös oder aber säkulargeschichtsphilosophisch,
00:42:14
ist von der Hoffnung getragen,
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dass die Menschheit irgendwann in einen Zustand übergehen könnte,
00:42:20
indem ihr endlich ein Ausruhen
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möglich sein will
00:42:24
Diese Hoffnung selbst soll hier auch gar nicht verächtigt gemacht werden,
00:42:28
der philosophisch entscheidende Punkt ist ein anderer.
00:42:31
Auch Horkheimer oder Dorno tendieren dazu an eine gewisse Logik der Geschehnisse zu glauben.
00:42:36
Insofern ist nun bleibt die Dialektik der Aufklärung eine verdeckte Eschatologie,
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unterschwellig stellt auch sie eine Erlösung in Aussicht,
00:42:45
damit aber erzeugt, beziehungsweise reproduziert sie in ihren Leserinnen und Lesern,
00:42:50
jedenfalls gegen Metas, damals so eine Art Zukunftsgewandte Halmweh-Spannung,
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deren Befriedigung sich unendlich hinzuziehen droht
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Im Anschluss an Löwith, könnte man daher sagen,
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eins glaubte die Geschichtsphilosophie, sich vom religiösen Denken emanzipieren zu können,
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indem sie den menschlichen Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit voll und
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ganz in menschliche Hände legte und zur Aufgebung zur Aufgabe der Aufklärung machte.
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Nitianisch gesprochen, als Gott im Sterben lag,
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trat die Geschichtsphilosophie dessen Erbe als universellarischen Sinnstifte an.
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Aus heutiger Sicht müssen wir jedoch erkennen,
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schon die Religion ist Geschichtsphilosophie und Geschichtsphilosophie schlägt in Religion zurück.
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Zu kritisieren ist die Geschichtsphilosophische Tradition meiner Ansicht nach nicht deshalb,
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weil sie auf Entspannung hofft
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Sondern weil ihre echatologische Heilserwartung sich dafür blind macht,
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dass in der Heilsgeschichte selbst die größte heillose Verwirrung liegt.
00:43:52
Und eben diese These möchte ich im Rest meines Vortrags nachspüren, dieser These. Die zuletzt skizzierte Überzeugung,
00:44:01
dass die traditionelle Geschichtsphilosophie kaum weniger, wie mir scheint,
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als die Religion einem letztlich dramatischen Heilsverständnis folgt, einem Heilsverständnis,
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dem auch Hockheimer oder Dorno sich nicht entziehen können.
00:44:13
Also das besagt die zuletzt skizzierte Überlegung. Will die Geschichtsphilosophie überleben und in der Tat gibt es heute kaum noch jemanden,
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der sich irgendwie traut,
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offensiv Geschichtsphilosophie zu betreiben und die beiden erwähnten Mangelsprojekte sind daran nicht ganz unschuldig,
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die sozusagen, weil sie einerseits zu optimistisch, andererseits zu pessimistisch waren,
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das Anliegen der Geschichtsphilosophie in der akademischen Welt ein wenig diskreditiert haben,
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dann muss ich restlos dieses Heilsgeschichtes,
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da muss sie sich restlos dieses heilsgeschichtlichen Erbes entledigen.
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Daher sollte die Geschichtsphilosophie ruhig einmal daran erinnert werden,
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dass sie in einer ihrer wichtigsten, sagen wir mal,
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Zwischenphasen als eine Kritik an religiösen Endzeitstimmungen angelegt gewesen ist.
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Ich habe hier den jungen Karl Marx vor Augen,
00:45:00
von dem ja bereits letzte Woche im Rahmen des Vortrags von
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Georg Lohmann die Rede gewesen ist
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Marx, der spätere Kritiker des aufkommenden Kapitalismus,
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ist in seinen jungen Jahren von einem zweiten Thema, mindestens ebenso gefesselt gewesen.
00:45:15
Und zwar von dem Verhältnis oder besser Missverhältnis zwischen menschlicher Emanzipation
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einerseits und menschlicher Religiosität, andererseits. Für Marx stand außer Zweifel,
00:45:26
dass die Religiosität des Menschen und damit dessen Glauben an eine jenseitige Erlösung,
00:45:32
eine der letzten Hürden auf dem Weg zur menschlichen Emanzipation darstellt.
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Der monotheistische Glaube des Christentums, aber auch des Judentums und des Islams,
00:45:41
ist nach Marx nichts anderes als ein,
00:45:43
wenn gleich verständlicher Reflex auf den ernüchternden Umstand,
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dass das Leben im sogenannten Diesseits voll von Elend und Mühsal ist.
00:45:53
Der Mensch schuf sich die Religion und mit der Vorstellung von
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einem paradiesischen Jenseits eine Art Fluchtpunkt parat zu haben,
00:46:00
wie das Leid der wirklichen Welt zu legitimieren,
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zumindest aber über es hinweg zu trösten vermag.
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Marx hat hier bekannt, sich so etwas wie ein Opiumrausch vor Augen,
00:46:11
eine heilsgeschichtliche Dröhnung, die als solche nicht weiter bedenklich wäre,
00:46:15
wenn sie den Menschen nicht vollends den Blick dafür trüben würde,
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dass der Gang der Welt mit all ihrem Elend
00:46:20
eben doch nicht Gott gewollt,
00:46:21
sondern menschengemacht und
00:46:23
daher veränderbar ist
00:46:25
Der Glaube an ein höheres Wesen, das die Geschicke des Menschen denkt,
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entbindet den Menschen auf fahrlässige Weise von der Verantwortung für sein
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eigenes Schicksal zum Markt und liefert ihn so der willkürlichen Macht,
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völlig kontingenter politischer Kräfteverhältnisse aus.
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Ja, wenn man so will, selbst verschuldet,
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unmündiger Mensch, beraubt sich damit eigenhändig der Möglichkeit,
00:46:46
sich in selbstverantwortlichen Taten als ein autonomes,
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zur historischen Veränderung fähiges Wesen zu erfahren und auf diesem Wege eben zu Vernunft,
00:46:54
Freiheit, zur Demokratie oder auch zum Menschenwürde zu gelangen.
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Und das war ja auch die These,
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die Georg Lohmann
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letzte Woche vertreten hat
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Halten bis heute zahlreiche Denkerinnen und Denker an der Überzeugung fest,
00:47:06
dass insbesondere die Idee der Menschenwürde ohne Bezug auf einen
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göttlichen Grund gar nicht zu haben sei.
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So laufen die Überlegungen, die Marx vom Weitmeer als 150
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Jahren angestellt hat, auf die diametral entgegengesetzte Ansicht hinaus.
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Wahre menschliche Würde ist allein, ohne die Religion zu haben.
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Denn auch die Religion hält den Menschen am Boden. Zitat,
00:47:32
die Kritik der Religion endet mit der Lehre die Kritik der Religion,
00:47:36
endet mit der Lehre,
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dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen ist
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Also mit dem kategorischen Imperativ alle Verhältnisse umzuwerfen,
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in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes,
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ein Verlassenes, ein verächtliches Wesen ist, Zitat N.
00:47:52
Der hier von Marx auf meine Anlehnung an kann,
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formulierte Imperativ, ist Absage an jenseitige theologische Heilsversprechen.
00:48:01
Das ganze Ausmaß herrschenden Leidens wird durch Religion bloß ideologisch übertüncht,
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verbrämt und was das Schlimmste ist, gerechtfertigt.
00:48:11
Die in jenseits, die ins jenseits zielende Heimwegspannung
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geht mit diesseitigem Fatalismus und nahezu depressiver Widerstandslosigkeit
00:48:18
Hand in Hand
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Der Mensch, so heißt es an anderer Stelle,
00:48:22
wurde nicht von der Religion befreit, erhielt die Religionsfreiheit.
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Zitat Ende. Solange sich aber der Mensch den Blicken eines Malstrafenden mal gütigen,
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stets aber über ihm stehenden Gottes ausgesetzt fühlt,
00:48:36
wird er den eigenen Blick demütig zu Boden richten und sich dabei auf Dauer des Rückgrats verbiegen.
00:48:43
Und zu ergänzen wäre, nach Marx,
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solange es ein höheres über dem Menschen stehenden Wesen gibt,
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werden dann auch fanatische Glaubensanhänger diesem Gott Opfer bringen wollen,
00:48:54
um sich für eine bessere Welt im Jenseits zu qualifizieren,
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womit wir bei einigen abschließenden zeitdiagnostischen Überlegungen zu einer geschichtsphilosophischen Kritik
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am sogenannten Wiedererstarken der Religionen angelangt werden.
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Die hier mit Marx angedeutete Hoffnung auf anti-eschatologische Selbstheilungskräfte der
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geschichtsphilosophischen Abteilung wäre gar nicht weiter der Erwähnung wert,
00:49:21
wenn nicht auch der Gegenstand der heutigen Geschichtsphilosophie einer heilsamen Ernüchterung bedurfte.
00:49:29
Worum müsste es einer geschichtsphilosophischen Zeitdiagnose heute gehen
00:49:35
Nach Hakan Radon. Wenn es um Deutungen der jüngeren Vergangenheit und
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der weltpolitischen Lage geht, weist man heute gern darauf hin,
00:49:42
dass mit dem Jahr 1989 und dem Zusammenbruch des Ostblocks
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ein neues Zeitalter begonnen habe.
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Wenn das Ende der Geschichte von Francis Fukuyama war gewissermaßen der
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Endsieg der Demokratie westlicher Prägung.
00:50:00
Aus Sicht der westlichen Welt mag das vielleicht stimmen.
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Noch immer unterschätzt wird jedoch die Tatsache,
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dass 1. September 2001 die entscheidende globale Wende gebracht hat
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Die Utopie einer weltumspannenden Republik gleicher Weltbürgerinnen und Weltbürger,
00:50:24
die zusammen in Vernunft, Freiheit, Demokratie und Menschenrechten zusammenleben.
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Diese Utopie, an die man noch in der zweiten Hälfte
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des 20. Jahrhunderts hat glauben dürfen, zerschellte,
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als am Himmel New Yorks zwei Flugzeuge auftauchten,
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die eine oft missverstandene Botschaft im Gepäckraum mit sich trugen.
00:50:43
Der sogenannte Kampf der Kulturen,
00:50:45
den einflussreiche Politikerinnen und Politiker und viele Intellektuelle mit den Anschlägen
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auf das World Trade Center gekommen sahen,
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ist nicht etwa an der Grenze zwischen Oktident und Orient
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Abendland und morgen dann zu situieren. Auch wenn Pegida das gerne so hätte.
00:51:03
Der derzeit geschichtsphilosophisch entscheidende Grenzverlauf steht quer zu diesen kulturellen Fronten.
00:51:09
Er trennt auf der einen Seite fundamentalistische Anhänger, monotoistische Religionen,
00:51:15
die an ein Heil im Jenseits glauben und auf der anderen Seite säkularisierte Weltbürgerinnen und Weltbürger,
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die auf ein wenigstens menschenwürdiges Leben im Diesseits hofft.
00:51:29
Die abschließenden und im folgenden vorgetragenen Überlegungen verstehen sich jetzt durchaus,
00:51:33
wenn man will, als eine oder in der Tradition von Horkheim Radorno
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stehen und alles damit und eine Art Zeitdiagnose, neuere Formen des Irrationalismus,
00:51:44
ohne dass Hawkheimer und Adorno selbst irgendwie so etwas wie eine ausdrückliche Kritik am religiösen Fundamentalismus vorgelegt hätten.
00:51:54
Wir haben es heute, es scheint mir erneut mit einer Entwicklung zu tun,
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in der auf unheilvolle Weise Aufklärung in Mythologie zurückschlägt. Der Fundamentalismus,
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monotheistischer Prägung und sogleich sei hinzugefügt der Fundamentalismus gleich welcher Prägung,
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ob nun islamisch, jüdisch, christlich,
00:52:12
weil es steht zwei charakteristische Merkmale auf,
00:52:16
Zum einen liegt auf Seiten seiner Anhänger die unumstößliche Gewissheit vor,
00:52:20
dass allein sie von Gott die ganze Wahrheit übermittelt bekommen haben.
00:52:24
Besessen davon, im Besitz eines privilegierten Wissens zu seins,
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sind sie zur Not, zur gewaltsamen Verteidigung dieser göttlichen Wahrheit bereit.
00:52:33
Zum anderen besitzen Fundamentalisten stets die nicht weniger gefestigte Überzeugung.
00:52:38
Und das erscheint mir wichtig, dass dem Säkularen und damit
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von allem Religiösen möglichst Einfluss möglichst gereinigten Staat jede Legitimationsgrundlage fehlt.
00:52:49
Wenn Gott allein Stifter der Wahrheit ist,
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dann muss jeder Staat, der auf Gottes Segen verzichtet,
00:52:54
gottlos und verloren sein
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Für den Fundamentalismus bilden göttliche und weltliche Macht letztlich doch ein
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unauflösliches Arme ergaben. Die Errichtung eines sogenannten islamischen Staates,
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wie er derzeit in Syrien und anderswo auf dem Vormarsch ist,
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ist nicht etwa nur ein neues Hirngespinst,
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sondern ein alter Traum,
00:53:14
den so oder so ähnlich auch andere Fundamentalisten geträumt haben und noch immer träumen.
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Man mag nun einwenden, die derzeitige Gefährlichkeit religiöser Weltanschauung,
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die allein von diesen fanatisch-fundamentalistischen Glaubensbrüdern und Schwestern
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heraus,
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aber nicht schon von jedem Gläubigen
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Tatsächlich fällt es gemäßigten Glaubensbrüder und Schwestern in der Regel leicht,
00:53:38
fanatische Exzesse, wie etwa die Exekution der Satire-Redaktion von Charlie Abdou, öffentlich anzuprangern.
00:53:46
Das heißt dann, der Islam verbietet selbst im Mordattentate oder
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auch das Christentum lehnt den Krieg ab oder ähnliches.
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Als sei dies in einer zivilisierten Welt, nicht ohnehin selbstverständlich.
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Doch mag man daran zweifeln, ob es sich
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die Religionsgemeinschaft und insbesondere deren Eliten derart einfach machen können.
00:54:06
Wenn tatsächlich gilt, was gelegentlich behauptet wird,
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dass der Islamismus nichts mit dem Islam zu tun habe,
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dann müsste im Grunde ja auch gelten,
00:54:14
dass der Buddhismus nichts mit Buddha,
00:54:16
der Protestantismus nicht mit Protest und der Kapitalismus,
00:54:20
nichts mit Kapital
00:54:20
zu tun hat
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Klafft also zwischen radikalen und gemäßigten Moslems zwischen fundamentalistischen und friedwertigen Christen,
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zwischen orthodoxen und weltlichen Juden, tatsächlich ein so sicherer Abgrund.
00:54:34
Bei allen interkonfessionellen Absichtserklärungen und Toleranzgeboten auf der rhetorischen Oberfläche des
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multikulturellen Dialogs. Es ist und bleibt anzunehmen,
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zumindest was die drei genannten monotheistischen Religionen angeht,
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dass diese alle im Kern exklusiv eingestellt sind.
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Erstens fühlen sie sich den jeweils anderen Glaubensgemeinschaften überlegen und
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zweitens verdammen sie den Nichtgläubigen
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Zudem gilt für jeden monotoistischen Fundamentalismus,
00:55:06
was übrigens zugleich auch für viele politische Ideologien gilt,
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wie etwa für den Marxismus oder auch den Neoliberalismus, wer eine Weltanschauung,
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oder wer einer Weltanschauung anhängt, einer der totalen Weltanschauung,
00:55:22
legt oft auch einen Hang zur Besserwisserei an den Tag.
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Die meisten Besserwisser wiederum haben eine Tendenz zum Dogmatismus,
00:55:30
Dogmatisten neigen zu Fundamentalismus oder gar zu Fanatismus,
00:55:34
Fanatiker wiederum zur Aggressivität und aggressive Menschen zur Gewalt und
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wirklich keiner,
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keiner davon neigt zu ausgelassenem Humor
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Natürlich, nicht jeder humorlose Anhänger einer Weltanstaltung ist ein potenzieller Terrorist.
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Aber wer ernsthaft behaupten wird, ist bestehe, da kein Zusammenhang,
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lässt Redlichkeit vermissen. Damit aber liegt ein Generalverdacht auf der Hand,
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der von der Kritik des religiösen Terrors über die Kritik weniger
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fundamentalistischer Religionspraktiken letztlich zu dem Zweifel von Karl Marx zurückführt,
00:56:06
ob nicht die Religiosität des Menschen als solche,
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ein Problem für die Vernunft und die Freiheit,
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für die Menschenwürde, die Demokratie, für die Menschenrechte darstellt.
00:56:16
Damit komme ich ein letztes Mal im Anschluss an Hawkham oder Dorno
00:56:20
, auch die Selbstzerstörungskräfte der Aufklärung
00:56:22
zu sprechen
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Viel interessanter nämlich, als jede eher altbackene Kritik am Entwicklungsstand
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vermeintlich unaufgeklärter Religionen, ob nun Christentum, Judentum, Islam.
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Viel interessanter scheint mir die Frage zu sein,
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ob die Aufklärung selbst an deren Wiedererstarken Schuld trägt.
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Diese philosophische Verunsicherung wird immer dann spürbar,
00:56:47
wenn heute von durchaus einflussreiter Seite aus,
00:56:50
und zwar direkt aus den Reihen,
00:56:52
vorbildlich aufgeklärter Philosophinen und Philosophen,
00:56:55
wie etwa Jürgen Habermas oder Charles Taylor,
00:56:58
die sogenannte Postsekulare Gesellschaft ausgerufen wird
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Schon aus Prefix, Pox, Post zeigt an,
00:57:06
dass hierzu einer Wiedersehensfeier geladen wird.
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Vor allem auch im linksliberalen Rahmen soll offenbar für einen
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entspannteren Umgang mit den Religionen geworben werden. Man glaubt,
00:57:14
erkannt zu haben, dass der Gesellschaft wichtige Bindungskräfte fehlen,
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wenn ihr die sogenannte Transidenz, das Übersinnliche abhanden kommt.
00:57:24
Der säkulare Staat, so heißt es in einer viel zitierten,
00:57:27
berühmten Formulierung von Ernst Wolfgang Böckenförde, lebe von Voraussetzungen,
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die er selbst nicht garantieren kann.
00:57:34
Und so hofft man auf eine, sagen wir mal,
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bedingte, das heißt nicht fundamentalistische Frömmigkeit und kauft sich dabei
00:57:40
am Ende doch viel zu viel ein,
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indem man die demokratisch-politische Öffentlichkeit neuerlich für dezidierte religiöse Begründungen öffnet
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Eben damit, so steint mir, schlägt Aufklärung neuerlich in Mythologie zurück.
00:57:54
Und ich möchte dies hier skizzenhaft noch ein wenig ausführen.
00:57:57
Das aus meiner Sicht schwerwiegendste Probleme,
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über das ich mit Ihnen gerne diskutieren möchte, das in der Moderne,
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in eine Sackgasse angelangten Aufklärungsprojektes besteht darin, dass die Aufklärung,
00:58:10
wie mir scheint, zwei diametral entgegengesetzte Denkbewegungen in Gang gesetzt hat.
00:58:17
Da ist zum einen Ihr Einsatz für einen autonomen Vernunftgebrauch,
00:58:22
der normativer Hinsicht zu Freiheit, Demokratie,
00:58:26
Menschenrechten,
00:58:27
Menschenwürde führen soll
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Und da ist zum anderen, ich weiß nicht,
00:58:31
wie es anders ausdrücken soll, ein sich lebensweltlich ausbreitender,
00:58:34
kritischer Rationalismus,
00:58:37
der sich eins zu Beginn gegen traditionelle Dogmatismen gestemmt hat,
00:58:41
zunehmend aber jede Art von epistemischer und vor allem auch normativer Gewissheit entsagt.
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Und heute schlicht mehr und mehr in einen Relativismus der interkulturellen Beliebigkeit umschlägt.
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Spitzt man es so zu, wird umgehend ersichtlich,
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dass man nicht beides zugleich haben kann. Ein starkes,
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selbstbewusstes Plädoyer für Autonomie, Demokratie,
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Menschenwürde und universelle Menschenrechte und zugleich die skeptische Weigerung,
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eine jeweils bestimmte Gewissheit als für alle Menschen gleichermaßen verbindlich zu akzeptieren
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Das Problem ist nun, wie mir scheint,
00:59:15
dass wir es derzeit mit einer intellektuellen Situation zu tun haben,
00:59:21
in der diese zweite Denkbewegung der intellektuelle Relativismus einen vorläufigen Sieg davon getreuen hat.
00:59:31
Dies hat die Auflösung von Gewissheiten zufolge und hinterlässt
00:59:35
eine gewisse Spätmoderne, wie es oft heißt, Lehre.
00:59:39
Diese Lehre wird von vielen Menschen als schwer erträglich empfunden.
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Sie führt zu einem neuerlichen Unbehagen an der Spätmoderne und
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gelegentlich kommt es dann zu dem gerade zu verzweifelten Bemühen,
00:59:51
die entstandenen Sinnlöcher mit neuen oder alten Sinnangeboten.
00:59:55
Ja, und vor allem auch mit religiösen Fundamentalismen zu stopfen,
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die ein klares Feindbild und damit Orientierung bieten
01:00:02
Man sehnt sich nach Klarheit,
01:00:04
Verbindlichkeit und nach einer neuen Politik der Drastik,
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der auf die Sinnlehre unserer Tage reagieren,
01:00:10
Fundamentalismus und Terrorismus ist also nicht etwa das andere der Aufklärung,
01:00:16
sondern wenn man so will, deren Ausgeburt.
01:00:19
Eine Art Bastard, wie Peter Slutterdeik sagen würde, ein Bastard,
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der sich gegen die eigene Herkunft stemmt und trotz sich antritt,
01:00:26
mit dieser Herkunft zu brechen. Mit Blick auf das Grauen,
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etwa, das derzeit der IS verbreitet,
01:00:32
kommen viele politische Kommentatoren dieser Beobachtung schon sehr nahe,
01:00:36
wenn sie die These vertreten,
01:00:37
der IS,
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seine Ausgeburt des Imprealen Machtstrebens des Westens
01:00:43
Eine Folge der Kriege und so weiter. Aber es ist wohl noch etwas kompliziert.
01:00:47
Also er ist eine Reaktion auf den globalen Siegeszug der Aufklärung.
01:00:51
Wenngleich einer bloß halbierten, einer relativistisch missverstandenen Aufklärung,
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die aller Orten Lehre hinterlässt und damit Platz für fundamentalistischen trotz Terrorschaft.
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Genau hier gilt einmal mehr, schon der Mythos ist Aufklärung und Aufklärung schlägt in Mythologie zurück. Dies erklärt,
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wie mir erscheint, einerseits, aber darüber wäre es zu diskutieren,
01:01:12
warum nicht immer mehr Menschen darunter immer häufiger auch junge Menschen,
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die sich nach klarer Orientierung sehnen,
01:01:19
in einem imaginären oder sogar realen Heiligen Krieg einfinden,
01:01:24
egal ob in den Reihen von IS, NSU,
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Pegida, welche Abkürzung sie auch immer hier verwenden wollen.
01:01:32
Dies erklärt aber auch zum anderen, warum sich,
01:01:35
und das ist noch wichtiger,
01:01:37
warum sich die intellektuellen Eliten derzeit so ungeheuer schwer damit tun,
01:01:42
die aufgeklärten Ideale der Vernunft, Autonomie, Demokratie,
01:01:47
Menschenwürde und Menschenrechte selbstbewusst gegen diese neuen und alten Fundamentalisten zu Fundamentalismen zu verteidigen.
01:01:56
Viele Intellektuelle stehen eben zugleich auch unter dem Bann in der
01:01:59
zweiten Denkbewegung eines hyperkritischen Relativismus, der ihnen sagt,
01:02:04
dass dieser Ideen am Ende eben doch nicht mehr universelle
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Gültigkeit beanspruchen dürfen als etwa jeweils ihr Gegenteil
01:02:12
Und wenn Sie vielleicht schon einen Blick in den neuen Roman
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von den letzten Romanen von Michael Beck geworfen haben,
01:02:19
den ich tatsächlich sehr empfehlen kann,
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so lässt sich auf intellektueller akademischer Seite in diesem Milieu spielt,
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dieses Buch auch ein gewisser Trendgard zur lustvollen Unterwerfung,
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unter diese neuen Formen von Unfreiheit diagnostizieren.
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Entsprechend heißt das Buch ja auch die Unterwerfung. Ich könnte hier
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noch weitere Beispiele für die unheilvolle Allianz zwischen einem vermeintlich aufgeklärten
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heute aber zur Unterwerfung neigenden Intellektualismus einerseits und einer neuen Suche nach fundamentalen Gewissheiten andererseits anführen.
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Nehmen wir zum Beispiel die soeben erschienene Sonderausgabesphilosophie-Magazins.
01:03:00
Der Koran, ein ganzes philosophisches Heft nur über den Koran.
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Bis zunächst einmal noch nicht schlimm, noch nicht schlimm,
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der hier geradezu, aber wie ein philosophischer Text behandelt wird,
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ohne dabei allzu kritisch zu werden.
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Ganz am Schluss kommen so immer so Zeittexte, die so
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ein bisschen kritisch sind. Und so als würde es dazu passen,
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heißt das Editorial auch Aufklärung statt Angst.
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Und sicher ist Angst oft kein guter Ratgeber,
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aber vor einer aufgeklärten Philosophie,
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die sich derartig an den interreligiösen Zeitgeist heranschmeißt,
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kann man schon mal bisweilen ein wenig Angst haben
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Es wäre mir jedenfalls aus philosophischer Sicht schon wichtig,
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an dem Unterschied zwischen Kanthegel und sagen wir mal Mohammed festzuhalten.
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Ein nächstes Beispiel und auch ein letztes ist die intellektuelle Begeisterung,
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mit der manche Denkerinnen und Denker in den letzten Jahren auf
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die Reden und Texte von Josef Ratzinger beziehungsweise von Papst Benedict,
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dem 16. reagiert haben.
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Dessen ausdrückliches Leitmotiv war ja die Unterordnung der Vernunft unter den Glauben.
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Ich zitiere mal aus einer seiner vielen Reden, Zitat,
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das Vorurteil gewisser moderner Denker, denen zufolge die menschliche Vernunft
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von den Glaubenssätzen gleichsam blockiert wäre, also mein Verurteil ist falsch.
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Genau das Gegenteil ist wahr. Genau das Gegenteil ist wahr,
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das würde bedeuten, der Glauben wird durch die Vernunft blockiert.
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Und so muss die moderne Vernunft voll enthaltlos bleiben,
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daran ließ Radsinger keinen Zweifel,
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bis sie sich nicht neulich auf den christlichen Glauben gründen will.
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Mir scheint ein Rest an ursprünglich, ich meine,
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der Papst ist unfehlbar, aber jetzt ist er ja nicht mehr Papst,
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ein Rest an ursprünglicher Aufklärung in sich verspürt wird,
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ausrufen müssen,
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was für ein Unsinn
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Aber ich muss zum Schluss kommen. Zumindest die über sich selbst
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aufgeklärte Geschichtsphilosophie sollte sich nicht gänzlich zurückziehen und damit erneut religiösen Heilsgeschichten das Feld überlassen.
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Denn diese religiösen Heilsgeschichten fallen allesamt treffsicher,
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hinter den einmal erreichten Stand des kritischen Denkens zurück.
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Die hier erzogene Konfrontation zweier geschichtsphilosophischer Untote, also Hegel und
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die Dialektik der Aufklärung, sollte eben diese Einsicht vorbereiten.
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Der Fortschritt der Ideen, Vernunft, Autonomie, Freiheit,
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Demokratie, Menschenwürde, Menschenrechte, kürzlich kaum von selbst ergeben.
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Es gilt, diese Ideen vehement zu verteidigen Und zwar
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nicht nur gegen derzeit neuerlich angesagte Abgesänge auf die Aufklärung,
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sondern eben auch gegen deren falsche Freude.
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Freunde, die das Projekt, wenn man so will,
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halbieren und auf das Plädoyer für relativistische Beliebigkeit reduzieren.
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Geschichtsphilosophie heute, das wäre eine historisch rekonstruktiv verfahrende Bestandsaufnahme der Ideen,
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etwa Vernunft, Autonomie, Freiheit, Demokratie, Menschenwürde,
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Menschenrechte, samt ihres Wirkens in der Geschichte.
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Diese Ideen mögen abendländischen Ursprungs sein und heute eben dafür
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von relativistischer Seite aus gescholten oder sogar verlacht werden.
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Doch sie haben sich auch hier keineswegs von selbst ergeben
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Sie mussten erkämpft werden. Sie sind das Ergebnis historischer Unrechtserfahrung
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. Und wer noch immer an die Aufklärung glaubt,
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sollte dieses historische Erbe nicht leichtfertig ausschlagen.
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Vielen Dank, Aston