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01.07.2015

Zur Aktualität der Dialektik der Aufklärung

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  • 00:00:01
    Ja, herzlichen Dank den Organisatoren dieser Vorlesung. Ich freue mich wahnsinnig über die Gelegenheit,
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    hier über ein Buch sprechen zu dürfen,
  • 00:00:10
    das mir oder das mir schon zu meiner Studienzeit ungeheuer viel bedeutet hat und mich eigentlich bis heute fasziniert,
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    aufgrund der Radikalität, das darin vorgetragene Denkens.
  • 00:00:24
    Ich werde hier, als ich seinerzeit mit Frau Kindermann besprochen habe,
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    wie wir diesen Abend gestalten, wovon dieser Vortrag handeln soll,
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    bin ich damals auf die Idee gekommen,
  • 00:00:36
    noch einen weiteren Denker zu Wort kommen zu lassen,
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    der in dieser Ringvorlesung sicherlich auch vorgekommen wäre,
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    wenn es noch zwei, drei Sitzungen mehr gegeben hätte.
  • 00:00:44
    Ich meine, Georg William Friedrich Hegel,
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    ich will auf Hegels Geschichtsphilosophie hier zu Beginn meines Vortrags etwas eingehender zu sprechen kommen,
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    weil ich glaube, dass man das Anliegen der Dialektik der
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    Aufklärung von Hockheim und Ladorno gar nicht recht verstehen kann,
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    wenn man nicht das Anliegen Hegels bzw. Hegels Geschichtsphilosophie kennt.
  • 00:01:04
    Ich werde diese Überlegung dann am Schluss, wie weiter mit,
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    in eine Zeitdiagnose münden lassen und habe mir hier einen Bereich rausgesucht,
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    den man heute unter dem Stichwort wieder erstarken der Religionen des und es wird vermutlich nicht ausbleiben,
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    dass ich dem einen oder anderen, der hier Anwesenden,
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    sozusagen philosophisch auf die religiösen Füße treten wäre.
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    Aber ich glaube, dass das Projekt der Aufklärung heute ein
  • 00:01:27
    Projekt neuerlich wäre, dass zumindest das Risiko eingehen muss.
  • 00:01:31
    Religiöse Empfindlichkeiten zu verletzen. Ich habe, ach, das ging
  • 00:01:38
    ja schnell gut. Gut, habe ich mich ein bisschen rangeschmissen.
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    Ich habe mich entschieden, sozusagen den klassischen Manus,
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    das Genre, das klassische Manuskript-Vortrag zu wählen. Das hat den Nachteil,
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    dass ich Ihnen hier heute keine bunten Bilder zeigen kann,
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    mit denen die düsteren Gedanken zu vertreiben werden,
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    um die es hier heute gehen wird.
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    Es hat aber den Vorteil, dass ich Ihnen ziemlich genau sagen kann,
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    dass ich in etwa 58 Minuten fertig sein werde,
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    wenn ich sozusagen freier zu PowerPower-Power-Point-Slides vortragen würde,
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    wäre das ein wenig oder weniger berechenbar.
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    58 Minuten ab jetzt. Mein Landteil ist,
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    soll ja heute um die Zukunft des Projekts Aufklärung gehen,
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    um den feierlichen und grandiosen Optimismus,
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    der einzeln diesem Fortschrittsprojekt verknüpft gewesen ist,
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    aber vor allem auch um dessen Risiken und Nebenwirkungen
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    Tatsächlich wird es ja die zentrale These von Max Horkheimer und Tier- oder wie Adorno sein,
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    dass eben diese Risiken und Nebenwirkungen der Aufklärung dafür verantwortlich sind,
  • 00:02:48
    dass der hoffte Fortschritt längst in sein Gegenteil umgeschlagen ist und
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    eine Reihe verhängnisvoller Rückschritte mit sich gebracht hat.
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    Um was aber genau geht es,
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    wenn die Philosophie von Aufklärung spricht, die alle kennen,
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    die berühmte und seinerzeit doch sehr optimistisch gemeinte Definition Immanuel Kanz,
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    die besagt,
  • 00:03:08
    ich zitiere,
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    Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündlichkeit
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    Diese philosophische Pathos-Formel hat in der Folgezeit die Fantasie unzähliger nach
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    Vernunft- und Freiheitsstreben der Humanisten und auch die Werke bedeutender Geschichtsphilosophinnen und Philosophen beflügelt.
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    Man wollte an ein beständiges, emanzipatorisches Fortschreiten der Menschheit im Namen,
  • 00:03:32
    eben jene Vernunft und Freiheit glauben,
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    aber etwa auch im Namen der Demokratie der Menschenwürde und heute eben auch der Menschenrechte.
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    Als jedoch Max Horkheim Van Theodor wie Adorno zu Beginn der 1940er Jahre,
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    das heißt inmitten des Krieges,
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    im amerikanischen Exilweilen und dort die Dialektik der Aufklärung schreiben,
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    sehen sich die beiden mit einer weltpolitischen Großwetterlage konfrontiert,
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    In der weit eher globale Unvernunft, globale Unfreiheit,
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    Tyrannei und totale Entmenschlichung zu kulminieren scheinen.
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    Die Welt scheint aus den Fugen geraten und aus dem
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    Ersten Weltkrieg überhaupt gar nichts gelernt zu haben.
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    Der Zweite Weltkrieg wütet umso grausamer. Der deutsche Faschismus verfolgt
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    nicht bloß wahnwitzige, außenpolitische Expansionsbestrebungen, sondern vor allem auch
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    die völlige Auslöschung des europäischen Judentums.
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    Längst geht in Amerika die schreckliche Kunde von dem nationalsozialistischen Vernichtung
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    zu lagern um. Hockheimer und Adorno wissen bereits von den
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    Gaskammern und notieren dies auch im Buch
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    Und mit dem sowjetischen Stalinismus und dessen barbarischen Säuberungsprogrammen scheint sich zudem
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    auch noch endgültig die kommunistische Großalternative zum kapitalistischen Westen erledigt zu haben.
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    Woran sollte angesichts dieser Katastrophe, also fragen sich Hockermundadorno,
  • 00:04:51
    eine Nachaufklärung dürstende Philosophie noch länger festhalten können?
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    Die Dialektik der Aufklärung nimmt sich da mit der philosophisch schwierigen Aufgabe an,
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    die grassierende Barberei philosophisch und auch zeitdiagnostisch auf den Begriff zu bringen.
  • 00:05:08
    Und die Provokation des Buches liegt vor allem darin,
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    dass dieses Buch die Schuld für die schier aussichtslos erscheinende Lage,
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    in die das Projekt der Aufklärung geraten ist,
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    den Projektleitern der Aufklärung selbst in die Schuhe schiebt
  • 00:05:23
    Eben, das wird mit dem auf den ersten Blick
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    vielleicht schwer verständlichen Titel des Buches gemeint sein.
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    Die Aufklärung selbst unterliegt von Beginn an einer unheilvollen Dialektik,
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    die an das Schicksal von Goethes Zauberlehrling erinnert.
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    Die Aufklärung will Ordnung ins Chaos der Unvernunft bringen,
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    ruft dabei jedoch unheilvolle Geister auf den Plan.
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    Diese verselbstständigen sich, kehren sich schließlich destruktiv gegen den Zauberlehrling
  • 00:05:51
    und lassen so das Anliegen der Vernunft in völlig neue Formen heilloser Unvernunft umschlagen.
  • 00:05:57
    Herr, die Not ist groß. Dich rief die Geister
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    , werde ich nun nicht los
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    Weniger poetisch ausgedrückt. Hockheim und Adorno sind der Auffassung,
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    dass die Aufklärung nicht etwa das Opfer von Krieg, Faschismus und Stalinismus ist.
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    Vielmehr lautet die philosophisch Verstörende, dialektische Grundthese des Buches,
  • 00:06:20
    Krieg, Faschismus und Stalinismus sind selbst nur unterschiedliche Erscheinungsformen.
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    Einer zivilisatorisch gereiften Aufklärung. Nun ist freilich immer dann Vorsicht geboten,
  • 00:06:33
    wenn Philosoph findet und Philosophen den Begriff Dialektik ins Spiel bringen.
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    Denn nur zu oft handelt es sich um ein diskursives Ausweichmanöver,
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    gezielt, die Verlegenheit überspielt werden soll,
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    argumentativ nicht mehr so recht weiter zu wissen. Ein klarer Tipp,
  • 00:06:49
    wenn Sie einmal in einer philosophischen Auseinandersetzung von Ihrem Gegenüber eines logischen Widerspruchs überführt werden,
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    weil Sie angeblich zugleich A und Nicht behauptet haben,
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    so können Sie stets die folgende Ausflucht nutzen,
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    du verstehst einfach nichts von Dialektik.
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    Tatsächlich ist die Dialektik ja eine Art Denkkunst,
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    die aus Widersprüchen philosophischen Profit schlagen will. In ihren Anfängen,
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    etwa bei Sokrates, Sie kennen das sicher alles,
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    handelt es sich um eine Kunst der Widerrede.
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    Irgendjemand behauptet etwas, So gerade das behauptet garantiert, genau das Gegenteil.
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    Und durch eben diese Besserwisserei gelangen beide im Laufe der Unterredung
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    zu manchmal ganz neuen, manchmal lediglich etwas verbesserten, besser begründeten Überzeugungen.
  • 00:07:37
    Später wurde es dann vor allem Biorg William Friedrich Hegel sein,
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    der aus der Dialektik ein bis heute, an Größe,
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    wohl unübertroffenes System zimmerte.
  • 00:07:47
    Im Kern aber blieb es, weil jeder so kratischen Methode,
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    hier vielleicht nur ein Beispiel, eine Philosophin sagt,
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    Sokrates ist sterblich, die berühmte These.
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    Und ihr Gegenüber erwidert Sokrates ist unsterblich
  • 00:08:03
    Die sogenannte Antithese, was nun, wenn beide keinen Krach haben wollen,
  • 00:08:08
    so könnten die sich in etwa auf die folgende Synthese einigen,
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    Sokrates, musste sterben, um unsterblich zu werden.
  • 00:08:17
    So einfach ist das. Nun, so einfach ist das natürlich nicht,
  • 00:08:21
    schon gar nicht bei Hegel und erst recht nicht bei Hockheimer und Adorno,
  • 00:08:24
    den beiden Gründungsvätern dessen,
  • 00:08:26
    was man die kritische Theorie oder auch die Frankfurter Schule nennt.
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    Denn in ihrem Fall kommt erschwerend hinzu,
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    dass sie ein Programm der Negativ, der negativen Dialektik verfolgen.
  • 00:08:37
    Gemeint ist eine Methode, die sich im Gegensatz etwa zu Hegel ostentativ weigert,
  • 00:08:44
    zur philosophischen Aufhebung der Widersprüche und damit zur Synthese fortzuschreiten.
  • 00:08:50
    Dazu wäre nach Ansicht von Hockheim oder Donau schlichtweg viel zu viel philosophischer Optimismus nötig.
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    Ein Optimismus, den die beiden Exzellanten gründlich verloren zu haben scheinen.
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    Deshalb greifen sie in ihrem Denken auf eine Methode zurück,
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    die gezielt, in der durch die Antithese bewirkten,
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    Negation verharren will. Und zwar deshalb,
  • 00:09:11
    weil sich die völlige Aussichtslosigkeit der Weltlage selbst noch auf der
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    methodischen Ebene des Gebrauchs jener philosophischen Denkwerkzeuge niederschlagen muss,
  • 00:09:22
    mit denen man
  • 00:09:22
    diese Weltlage auf den Begriff zu bringen versucht
  • 00:09:25
    Entsprechend wird dann auch das Wesen des dialektischen Denkens von den
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    beiden im Buch, wie folgt, bestimmt als ein Denken.
  • 00:09:33
    Zitat, worin jedes stets nur ist, was es ist,
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    in dem es zu dem wird, was es nicht ist.
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    Also stets ist alles nur das, was es ist,
  • 00:09:44
    in dem es zu dem wird, was es nicht ist.
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    Mir scheint, man muss diese für Kopf zerbrechen,
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    sorgende Denkbewegung verstehen lernen, wenn man das hier in Fragen stehendem Buch,
  • 00:09:56
    die Dialektik der Aufklärung im Kern durchschauen will.
  • 00:09:59
    Noch einmal, also eine Entität X, sagen wir mal,
  • 00:10:03
    die Aufklärung, nimmt allererst Gestalt an als das,
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    was dieses X ist
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    Indem es zu seinem Gegenteil wird. Das heißt, in
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    seinem Gegenteil umschlägt. Man muss das nicht gleich verstehen,
  • 00:10:18
    wird sich hier zunächst aber unwillkürlich fragen wollen,
  • 00:10:21
    was bitteschön ist eigentlich das Gegenteil von Aufklärung?
  • 00:10:26
    Folgt man der berühmten Definition Kanns und negiert diese einfach. So könnte man meinen,
  • 00:10:31
    das Gegenteil der Aufklärung müsste, wenn man so will,
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    ein Eingang des Menschen in seine gänzlich unverschuldete Mündigkeit sein.
  • 00:10:39
    Aber das ist offenkundig Unsinn. Und über die ist natürlich nicht sehr dialektisch gedacht.
  • 00:10:45
    Und so wird die geschichtsphilosophisch Zentrale und zunächst reichlich verständlich,
  • 00:10:50
    Anmutende des Cithese des Buches, dann auch ganz anders lauten.
  • 00:10:54
    Ich zitiere, schon der Mythos ist Aufklärung und Aufklärung schlägt in Mythologie zurück.
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    Lassen Sie mich kurz andeuten, andeuten, wie ich im Rest meines Vortrages vorgehen möchte.
  • 00:11:10
    Wir bewegen uns bereits auf dem Terrain der Geschichtsphilosophie und in der Geschichte,
  • 00:11:14
    wenn man so will, der Philosophie der Geschichte,
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    lassen sich wohl nur wenige Großentwürfe ausfindig machen,
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    die sich auf Anhieb der Art fundamental widersprechen dürften,
  • 00:11:24
    wie die als heillos optimistisch geltende Fortschrittsgeschichte Hegels einerseits Und
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    eben die als Durchweg pessimistisch verschmähte Verfallsgeschichte der Dialektik,
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    der Aufklärung andererseits.
  • 00:11:39
    Aber so verschieden diese beiden geschichtsphilosophischen Großprojekte auch ausfallen,
  • 00:11:43
    deren Kritikerinnen und Kritiker sind sich bis heute in wenigstens einer Hinsicht vollends eilig.
  • 00:11:49
    Sowohl mit Hegels Glauben an einen unaufhaltsamen, Zitat,
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    Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit, Zikatende,
  • 00:11:56
    als auch mit Hockheimers und Adornus-Diagnose eines Gattusgeschichtlich unentrinnbaren,
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    wie es heißt, Verhängniszusammenhangs.
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    Sein derart totale Erklärungsansprüche angemeldet, das im Grunde in
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    beiden Fällen konstatiert werde, dass die Geschichte bereits gelaufen sei
  • 00:12:16
    Während Hegel das Ende einer vernünftigen Heilsgeschichte gekommen sah,
  • 00:12:21
    in deren Verlauf die höchste Stufe menschlicher Freiheit erklommen worden sein soll.
  • 00:12:26
    Gemeinden Horkheim oder Adorno, ganz in apokalyptischer Tradition stehend,
  • 00:12:31
    davon ausgehen zu müssen,
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    dass der Abgrund totalitärer Barberei erreicht sei und zwar endgültig.
  • 00:12:37
    Aus unserer heutigen Sicht, die doch,
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    so fährt die Kritik dann für gewöhnlich fort,
  • 00:12:42
    könne keine dieser beiden Diagnosen noch irgendeine, zumindest empirische Aussagekraft beanspruchen.
  • 00:12:48
    Die Geschichte laufe ja munter weiter und deshalb könnt ihr festgestellt
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    werden, dass sich beide geschichtsphilosophischen Großentwürfe
  • 00:12:56
    Und mit ihnen vielleicht auch das Geschäft der klassischen Geschichtsphilosophie insgesamt erledigt haben.
  • 00:13:04
    Im Dienst will ich im Folgenden bestreiten,
  • 00:13:06
    die beiden auf den ersten Blick disparat wirkenden, geschichtsphilosophischen Mammutprojekte,
  • 00:13:12
    haben keineswegs ihr Wesentliches bereits eingebüßt.
  • 00:13:16
    Doch wird man sich deren Bedeutung erst dann verständlich machen können,
  • 00:13:20
    wenn man sie unmittelbar zusammenliest. Hegel einerseits,
  • 00:13:23
    Hockheimer und Adorno, andererseits müssen so aufeinander bezogen werden,
  • 00:13:27
    dass sie im klassisch dialektischen Sinne vermittelbar werden
  • 00:13:31
    Dann erst bedeutlich, dass die Dialektik der Aufklärung konsequent das philosophische Erbehegels antritt.
  • 00:13:39
    Sie nehmen ihren geistigen Überfahrt über Vater lediglich beim Wort und kehren dessen philosophische Methode,
  • 00:13:45
    nach der alles ist, was es ist,
  • 00:13:47
    indem es zu dem wird, was es nicht ist,
  • 00:13:51
    noch gegen die scheinbar längst aufgeklärte Idealist,
  • 00:13:53
    idealistische Vernunft selbst,
  • 00:13:57
    bis schließlich auch diese ihre voll ins Unvernünftigen Jahr verhängnisvollen Schatten seid offenbart.
  • 00:14:03
    Daher beginne auch ich hier mit einigen Andeutungen,
  • 00:14:06
    wie ich selbst das geschichtsphilosophische Grundanliegen Hegels verstehe
  • 00:14:13
    Wenn heute alterssprachlich von der Geschichte die Rede ist,
  • 00:14:17
    dann wird für gewöhnlich nur noch selten Unterschieden zwischen der Art und Weise,
  • 00:14:21
    wie im Nachhinein, über historische Begebenheiten berichtet,
  • 00:14:25
    erzählt wird und den berichteten Geschehnissen als solch.
  • 00:14:31
    Als jedoch hegelt in den Jahren 1822 bis 1831
  • 00:14:37
    seine Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte hält,
  • 00:14:40
    da ist seine Auffassung vom Wesen der Geschichte noch wie selbstverständlich von der Vorstellung einer Retrospektiven Erzählung geprägt.
  • 00:14:49
    Eine Erzählung, die stets einem roten Faden zu folgen hat,
  • 00:14:51
    wenn sie verstanden werden soll
  • 00:14:54
    Einer spezifisch philosophischen Betrachtung der Weltgeschichte muss in diesem Zusammenhang noch einmal
  • 00:14:58
    eine ganz besondere Aufgabe zukommen. Diese besondere Aufgabe ergibt sich dabei,
  • 00:15:04
    aus Hegels Auffassung von den Aufgaben der Philosophie als solcher.
  • 00:15:09
    Philosophie ist laut Hegel das Geschäft der Vernunft und das Wissen um ihr Tätigsein.
  • 00:15:15
    Im Rahmen dieses Tätigseins verschafft sich die Vernunft Klarheit nicht nur über die Beschaffenheit der Welt,
  • 00:15:21
    sondern stets auch über sich selbst,
  • 00:15:24
    so wie sie sich in uns einzelnen Menschen bloß,
  • 00:15:26
    wenn man so will,
  • 00:15:27
    reflektierend manifestiert,
  • 00:15:30
    ganz unhegelisch gesprochen
  • 00:15:33
    Wenn aber die Philosophie, unser jeweiliges Einzelbewusstsein,
  • 00:15:37
    als vernünftig erkennen können soll, dann muss sie zugleich davon ausgehen,
  • 00:15:42
    dass es auf der Welt insgesamt vernünftig zugeht.
  • 00:15:48
    Warum? Das menschliche Einzelbewusstsein, so Hehl,
  • 00:15:50
    kann nur dann als zur Vernunft fähig aufgefasst werden.
  • 00:15:53
    Wenn es in seiner Umgebung dann auch auf Dinge und Begebenheiten
  • 00:15:57
    trifft, die ebenfalls als vernünftig eingesehen werden können.
  • 00:16:01
    Dies ist, wenn man so will, die philosophisch idealistische
  • 00:16:03
    Grundstimmung hegelt. Und das berühmte Zitat dazu lautet,
  • 00:16:07
    ich zitiere, wer die Welt vernünftig ansieht,
  • 00:16:11
    den sieht sie auch vernünftig an
  • 00:16:17
    Damit reiht sich das Einzelbewusstsein auch das philosophisch Tätige in ein
  • 00:16:21
    großes Ganzes, des Geistes und der Vernunft ein.
  • 00:16:25
    Alle Erscheinungen dieser Welt, so Hegel,
  • 00:16:27
    müssen als Emanation einer Art höheren Vernunft, als Derivate,
  • 00:16:32
    wie hier gesagt, des Weltgeistes verstanden werden.
  • 00:16:36
    Auch wenn das Heerkömmliche, vor allem das nicht philosophische Bewusstsein
  • 00:16:40
    von diesen Zusammenhängen, natürlich gar nichts ahnt.
  • 00:16:43
    Vielmehr findet sich der Weltgeist in seinen alltäglichen,
  • 00:16:47
    menschlichen Erscheinungsformen auf unvernünftige Weise,
  • 00:16:49
    wie gesagt,
  • 00:16:52
    Und es ist die Philosophie,
  • 00:16:54
    in deren Rahmen man im Weltgeist geradezu dabei zusehen kann,
  • 00:16:58
    wie dieser sich seiner Bestimmung folgend reflektiert und befreit,
  • 00:17:02
    um dadurch mehr und mehr zu sich zu kommen.
  • 00:17:07
    Demnach findet in der Philosophie mit jedem besonderen Bewusstsein immer
  • 00:17:10
    auch ein Teil vom allgemeinen Weltgeist zu sich,
  • 00:17:14
    in dem sich das philosophische Einzelbewusstsein sozusagen als ein Weltgeistchen oder so erkennt.
  • 00:17:22
    Man darf sich das für den Moment sehr wohl wie ein Schlossgespenst vorstellen,
  • 00:17:26
    das nicht zur Ruhe kommt, weil es in diesem Leben
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    noch irgendeine Richtung zu begleichen hat und die Rechnung und wie es hegel geht,
  • 00:17:32
    ist die Rechnung der Freiheit.
  • 00:17:34
    Solange der Weltgeist ein Zweiter ist,
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    herrscht Unfreiheit und erst im Bewusstsein seiner Selbst in Denken der Unabhängigkeit
  • 00:17:42
    und damit in Freiheit fände der unruhige Geist seine endgültige Bestimmung sein versöhnliches
  • 00:17:48
    Bei sich selbst sein. Damit sind wir bei der Funktion
  • 00:17:55
    einer spezifisch-philosophischen Betrachtung der Weltgeschichte angelangt. Aus Sicht von Hegel
  • 00:18:01
    muss die gesamte Entwicklung der Menschheit so verstanden werden,
  • 00:18:05
    als sei diese dazu bestimmt, den Entzweiten Weltgeist aus Zuständen
  • 00:18:10
    einer noch nicht befreiten noch nicht verwirklichten Vernunft herauszuführen.
  • 00:18:16
    Erzählt wird also die Geschichte vom, wie Hegel sagt,
  • 00:18:18
    Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit, die Talente.
  • 00:18:22
    Genau das ist der gesuchte rote Faden, dem die Geschichtsphilosophie zu folgen hat.
  • 00:18:26
    Sie hat aufzudecken, inwiefern und wo es in der Menschheitsgeschichte
  • 00:18:29
    vernünftig zugegangen ist. Natürlich sieht auch Hegel,
  • 00:18:33
    dass es in dieser Geschichte oft auch vollends unvernünftig zuzugehen scheint.
  • 00:18:38
    Doch der oberflächliche Blick auf diese vermeintliche Unvernunft täuscht.
  • 00:18:42
    Selbst offenkundig, unvernünftige, ja katastrophale Entwicklungen, so Hegel,
  • 00:18:48
    sind und bleiben auf die Idee der vernünftigen Freiheit bezogen
  • 00:18:52
    Indem sie umso deutlicher, deren Defizitäre und damit unhaltbare Entwicklungsstadien vor Augen treten lassen.
  • 00:19:00
    Eben das ist die berühmt-berüchtigte List der Vernunft, von der Hegel spricht,
  • 00:19:06
    im Zuge all der furchtbaren und blutigen Kämpfe auf,
  • 00:19:09
    wie Hegel sagt, der Schlachtbank der Geschichte,
  • 00:19:12
    hält die Vernunft sich geflissentlich im Hintergrund bereit.
  • 00:19:16
    Freiheit ist der Endzweck,
  • 00:19:17
    dem sämtliche Opfer auf dem weiten Altar der Erde gebracht werden,
  • 00:19:22
    ohne dass sie es wissen,
  • 00:19:23
    verfolgen alle Menschen gewissermaßen hinter ihrem eigenen Rücken nur das eine gemeinsame Ziel,
  • 00:19:29
    die Realisierung,
  • 00:19:30
    nicht nur ihre eigenen,
  • 00:19:31
    sondern wahrhaft allgemeiner Freiheit
  • 00:19:35
    Diese Vernunftidee wirkt selbst durch die düstersten Zeiten hindurch,
  • 00:19:39
    sie bleibt am Werke, ist nicht unterzukriegen,
  • 00:19:42
    überlebt und nur insofern gilt die von Hegels Kritikern so häufig als reaktionär gescholtene Losung,
  • 00:19:49
    Zitat, was vernünftig ist,
  • 00:19:51
    das ist wirklich und was wirklich ist, das ist vernünftig.
  • 00:19:58
    Das Unvernünftige, das ist damit gemeint, hat dauerhaft keinen Bestand,
  • 00:20:02
    ist in diesem Sinne nicht wirklich, wirkt nicht.
  • 00:20:06
    Jedenfalls nicht dauerhaft, weil der Mensch vernünftige Freiheit will,
  • 00:20:10
    muss jede unvernünftige Unfreiheit früher oder später untergehen
  • 00:20:15
    Dann nun aber die Geschichtsphilosophie,
  • 00:20:17
    den jeweiligen Stand der Verwirklichung von Vernunft und Freiheit, allein retrospektiv,
  • 00:20:24
    das heißt in dem, was bisher war, aufzuspüren,
  • 00:20:26
    vermarkt, ist sie wie Hegel in einer berühmten Formulierung,
  • 00:20:30
    sagt, ihre Zeit in Gedanken gefasst.
  • 00:20:35
    Dass heute oft zur Diskreditierung der Philosophie herangezogene Bild aus
  • 00:20:39
    Hegels Rechtsphilosophie von der berühmten Eule der Minerva,
  • 00:20:43
    die ihren Flug erst mit der einbrechenden Dämmerung beginnt,
  • 00:20:47
    erhält so seine angestammten geschichtsphilosophischen Platz.
  • 00:20:51
    Die Philosophie kann und soll ihrer Zeit gar nicht voraus sein
  • 00:20:54
    Da wichtige historische Ereignisse nicht vorauszusehen sind,
  • 00:20:58
    und daher immer erst retrospektiv ins Blickfeld geraten,
  • 00:21:01
    das heißt dann, wenn sie zu einem vorläufigen Abschluss gelangt sind,
  • 00:21:04
    muss die Philosophie für Prospektive Belehrungen stets zu spät kommen.
  • 00:21:10
    Die spezifisch-philosophische Betrachtung der Weltgeschichte beschränkt dich somit auf das Sammeln von Ergebnissen.
  • 00:21:16
    Am Leitfaden der vernünftigen Freiheit. Und doch lässt sich Hegel
  • 00:21:24
    am Ende seiner Vorlesungen zu einer gewagten Prognose hinreißen.
  • 00:21:30
    Zitiere unsere Welt, wie behauptet er,
  • 00:21:32
    ist in das letzte Stadium der Geschichte eingetreten,
  • 00:21:37
    Die europäische Aufklärung, vor allem die französische Revolution,
  • 00:21:41
    so ist es zu lesen, haben die Voraussetzungen dafür geschaffen,
  • 00:21:45
    dass nun mal jeder Mensch erkennen kann, dass es der Wille des Weltgeistes ist,
  • 00:21:51
    die Verwirklichung der Freiheit aller Menschen herbeizuführen und dauerhaft dann auch zu institutionalisieren.
  • 00:21:59
    Diese Prognose Mark Forsch und aus heutiger Sicht reichlich optimistisch klingen,
  • 00:22:05
    aufmerksame Leserinnen und Leser jedoch werden sofort feststellen,
  • 00:22:07
    dass Hegel selbst einen langen historischen Atem hat,
  • 00:22:12
    die ihm oft unterstellte Überzeugung,
  • 00:22:15
    er selbst habe mit dem zitierten Eintritt in das letzte Stadion der Geschichte,
  • 00:22:20
    bereits deren besiegeltes Ende, behaupten wollen, lässt sich nicht belegen.
  • 00:22:26
    Hegel mag zwar überzeugt sein,
  • 00:22:28
    dass uns mit der Aufklärung ein für alle mal die Idee,
  • 00:22:30
    Leiche, vernünftige Freiheit zu Bewusstsein gekommen ist, doch bedeutet das nicht,
  • 00:22:36
    dass diese vernünftige Freiheit deshalb auch schon umfassend realisiert wäre.
  • 00:22:41
    Um mit Cannes zu sprechen, ein Phänomen wie die französische Revolution,
  • 00:22:45
    Zitat, vergisst sich nicht mehr,
  • 00:22:48
    weil es eine Anlage und ein Vermögen in der menschlichen Natur
  • 00:22:51
    zum Besseren aufgedeckt hat.
  • 00:22:53
    Zitat Ende
  • 00:22:55
    Und man darf, glaube ich, im Geistekant und Hegels hinzufügen,
  • 00:22:58
    es vergisst sich nicht mehr, eben weil noch immer Unfreiheit
  • 00:23:02
    herrscht und weil es hier noch immer einiges zu tun gibt.
  • 00:23:06
    Die endgültige Realisierung der Freiheit jedenfalls sieht das auch Hegel,
  • 00:23:10
    steht aus. Man wird gleichwohl nicht bestreiten können,
  • 00:23:16
    dass Hegel ein zumindest vorläufiges Ende der Geschichte,
  • 00:23:18
    ich sag mal so, herannahen sah.
  • 00:23:22
    Und zwar ein Ende, eben jener Erzählung vom Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit.
  • 00:23:28
    Legendär ist diesbezüglich eine postalische Auskunft Hegels an den Freund Niedhammer aus dem Jahre
  • 00:23:33
    1806. Er habe bei Napoleons Einmarsch in jener,
  • 00:23:37
    ich zitiere, die Weltseele auf einem Pferdesitzen sehen
  • 00:23:42
    Doch war der französische Kaiser für Hegel seinerzeit nicht mehr,
  • 00:23:45
    aber auch nicht weniger als einer jener, wie er es nennt,
  • 00:23:48
    Geschäftsführer des Weltgeistes, von denen die Geschichte eben von Zeit
  • 00:23:51
    zu Zeit todangebend beeinflusst und dann auch merklich vorangebracht wird.
  • 00:23:56
    Und so ist es nicht die Historie selbst,
  • 00:23:59
    die an die Erde gelangt,
  • 00:24:00
    sondern allenfalls die Philosophie der Geschichte und zwar in dem Sinn,
  • 00:24:04
    dass deren Erzählung bei allgemeiner Realisierung der Freiheit fortan kaum mehr etwas zu erzählen hätte.
  • 00:24:11
    Die Eule der Minava würde sich dann bloß noch im Kreis drehen.
  • 00:24:16
    Allerdings werden heutige Leserinnen und Leser Mich eingeschlossen. Diesen geschichtsphilosophischen Optimismus
  • 00:24:22
    kaum mitmachen wollen. Trotz aller finalistischen Unkenrufe der Zunft,
  • 00:24:28
    ich erinnere hier zum Beispiel ein Francis Fukuyama und seinen viel diskutierten Essay,
  • 00:24:33
    das Ende der Geschichte aus dem historischen Endejahr.
  • 00:24:37
    1989 ist heute offenbar weder die höchste Stufe menschlicher Freiheit,
  • 00:24:42
    noch das Ende aller geschichtsphilosophischen Mitteilungsbedürfnisse angezeigt,
  • 00:24:47
    auch wenn heute kaum noch jemand Geschichtsfetoshie betreibt aus Gründen,
  • 00:24:51
    auf die ich zurückkommen werde.
  • 00:24:53
    Vielmehr muss in der Zwischenzeit irgendetwas geschehen sein,
  • 00:24:56
    das dem Ende der Geschichte einen gewissen Aufschub verschafft hat
  • 00:25:02
    Warum aber können wir die sogenannten Nachgeboren heute nicht mehr so
  • 00:25:05
    zuversichtlich wie Einstegel sein? Und eben dieser Zuversicht Hegels,
  • 00:25:11
    dass es in dieser Welt und in der Geschichte unserer Menschheit letztlich vernünftig zu gehe,
  • 00:25:16
    muss spätestens im 20. Jahrhundert ein ernsthafter, geschichtsphilosophischer Zweifel aufkommen.
  • 00:25:21
    Ich hatte es bereits erwähnt,
  • 00:25:22
    als Max Horkheimer und Theodor W. Adorno zu Beginn der
  • 00:25:25
    1940er Jahre im amerikanischen Exil die Dialektik der Aufklärung schreiben,
  • 00:25:30
    da sehen Sie sich mit einer weltpolitischen Großwetterlage konfrontiert,
  • 00:25:34
    in der weit eher globale Unvernunft.
  • 00:25:36
    Globale Unfreiheit, Tyrannei, totale Entmenschlichung zu Kulmini
  • 00:25:41
    Von einer ominösen List der Vernunft ist hier erst einmal nur wenig zu sehen. Ja,
  • 00:25:47
    es mutet zynisch oder vielleicht sogar in Human an,
  • 00:25:51
    die kriegerischen Grolltaten und die Totalitären Barbereien,
  • 00:25:55
    in denen vermutlich nach Schätzungen, ja,
  • 00:25:57
    im gesamten 20. Jahrhundert bis zu 100 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind,
  • 00:26:03
    als,
  • 00:26:03
    wenn man so will,
  • 00:26:03
    trickreiche Kollateralschäden einer sich historisch im Hintergrund haltenden Idee vernünftiger Freiheit
  • 00:26:12
    auslegen zu wollen
  • 00:26:14
    Und so schlagen die eher unsystematischen philosophischen Fragmente,
  • 00:26:18
    philosophische Fragmente, der Untertitel des Buches,
  • 00:26:21
    die dann im Jahre 1944 zunächst auch nur in Amerika veröffentlicht werden,
  • 00:26:27
    einen Durchweg, düsteren, finsteren Tonern.
  • 00:26:32
    Die von Hockheimer und Adorno in diesem Buch vorgelegte Zeitdiagnose ist ein,
  • 00:26:37
    kann man so sagen,
  • 00:26:37
    kulturhermeneutischer Gewaltstreich und konstatiert der vormals als so fortschrittlich gefeierten Aufklärung
  • 00:26:45
    einen Prozess der rastlosen Selbstzerstörung
  • 00:26:49
    Die Autoren setzen sich gleich auf der ersten Seite des Buches,
  • 00:26:51
    nicht weniger als die Klärung der Frage zum Ziel, zitiere,
  • 00:26:55
    warum die Menschheit, anstatt in einen wahrhaft menschlichen Zustand einzutreten,
  • 00:27:00
    in eine neue Form der Barbara Barberei versinkt, Zitat End.
  • 00:27:06
    Im Zuge einer radikalen Dekonstruktion der westlichen Zivilationsgeschichte soll der Selbstzerstörungsprozess
  • 00:27:13
    der Aufklärung auf den Begriff gebracht werden. Wichtig dabei ist,
  • 00:27:17
    für die, die es nicht kennen,
  • 00:27:17
    der Terminus-Aufklärung wird hier nicht etwa wie oft üblich als Epochenbegriff zur Kennzeichnung eines Zeitalters,
  • 00:27:25
    sagen wir,
  • 00:27:25
    von 1650 bis 1800 verwendet,
  • 00:27:29
    sondern auch dazu
  • 00:27:29
    die gesamte Zivilisationsgeschichte ausgedehnt
  • 00:27:34
    Den vermeintlichen Fortschritt der Menschheit insgesamt, im Rahmen ihrer soziokulturellen Humanisierung,
  • 00:27:41
    entlarven Hawkheim und Adorno dabei als einen nahezu linearen Prozess der Gattungsgeschichtlichen Regression,
  • 00:27:48
    der bereits in jenen Frühphasen der Zivilisationsbildung eingesetzt haben soll,
  • 00:27:53
    in denen Menschen wie etwa Odysseus aufgeklärtes Denken,
  • 00:27:57
    allererst in Gang setzten,
  • 00:27:59
    indem sie sich listig von der gewaltigen Übermacht der Natur zu emanzipieren begann.
  • 00:28:07
    Seit diesen frühen Tagen der Menschheit verfolgt die Aufklärung das Ziel,
  • 00:28:10
    den Bann des Mythos zu brechen,
  • 00:28:12
    die Welt zu entzaubern und den Menschen als den Gebieter über
  • 00:28:15
    die Natur einzusetzen
  • 00:28:17
    So Hockheim. Und der Donner im Laufe der Zeit
  • 00:28:19
    sind Mythos und Aufklärung, eine unheilvolle Allianz eingegangen.
  • 00:28:23
    Wie schon erwähnt, lautet die Kernthese des Buches,
  • 00:28:27
    schon der Mythos ist Aufklärung und Aufklärung schlägt in Mythologie zurück.
  • 00:28:33
    Einerseits berichten uns bereits in den frühen Erzählungen,
  • 00:28:36
    die wir heute den Mythen zurechnen, zum Beispiel Humers Odyssee,
  • 00:28:40
    von zivilisatorischen ABC-Schützen, die sich als erste mit Listen und Opferbereitschaft
  • 00:28:45
    gegen die Übermacht der göttlichen Natur zur Wehr gesetzt haben.
  • 00:28:49
    Demnach neigt schon der Mythos zu einer gewissen Aufklärung,
  • 00:28:53
    und zwar in dem Sinn,
  • 00:28:55
    das aufgeklärtes Denken in Mythologie,
  • 00:28:57
    seine frühesten ideengeschichtlichen Wurzeln hat
  • 00:29:02
    Zugleich aber nimmt im weiteren Verlauf der Aufklärung,
  • 00:29:04
    und zwar spätestens dann mit den neuzeitlichen Naturwissenschaften, ein positivistisches Denksystemgestalt an,
  • 00:29:11
    das mit geradezu unerbittlicher Härte gegen jeden mythischen Aberglauben vorgeht.
  • 00:29:18
    Der seantistische Positivismus muss all das als irrational und mythisch verwerfen,
  • 00:29:23
    was sich nicht in sein System der objektiven Berechenbarkeit einpassen lässt.
  • 00:29:29
    Dabei ist das vermeintlich aufgeklärt,
  • 00:29:31
    ideal eines Denken und Mathematik in einsetzenden Wissenschaftsapparates,
  • 00:29:37
    so Walker Moladorno,
  • 00:29:38
    selbst nur ein monströser Aberglauben
  • 00:29:43
    Die positivistische Vorstellung, die gesamte Welt könne nach Art eines
  • 00:29:47
    gigantischen, analytischen Urteils entziffert und beherrschbar gemacht werden.
  • 00:29:51
    Er weist sich als so im gleichen Schlager wie der Mythos.
  • 00:29:55
    Wie der Mythos, den sie zu bekämpfen suchen.
  • 00:29:58
    Damit zur Hackheimer Ladorno scheint das Unheil der Aufklärung besiegelt.
  • 00:30:02
    Sie wird totalitär, indem sie die eigenen Wurzeln,
  • 00:30:05
    ihre mythischen Wurzeln cup. Und deshalb gilt Aufklärung, schlägt
  • 00:30:09
    in Mythologie zurück. Den zivilisatorischen Sündenfall markiert nach Hawkeimer Ladorno
  • 00:30:17
    das Aufkommen der sogenannten Reininstrumentellen Vernunft
  • 00:30:22
    Im Zuge der Abkehr von der mythischen Natur gelangt der Mensch
  • 00:30:26
    zu einer verdinglichenden Form der objektivistischen Weltbetrachtung, die es immer möglicht,
  • 00:30:31
    denkend soweit von der Natur Abstand zu nehmen,
  • 00:30:35
    dass diese Natur manipulierbar und beherrschbar wird.
  • 00:30:38
    Die Emanzipation des Menschen von der Natur schlägt damit aber
  • 00:30:43
    mehr und mehr in eine blinde Beherrschung der Natur um.
  • 00:30:48
    Zudem greift das instrumentelle Prinzip der Naturbeherrschung bald schon auf seinen Urheber den Menschen selbst durch.
  • 00:30:54
    Zum einen wird es in das Prinzip der rationalen Selbstbeherrschung transformiert,
  • 00:30:59
    Menschen lernen ihre Sinne und Triebe zu unterdrücken,
  • 00:31:02
    und ihren Körper auf die Anforderungen reproduktiver und später dann natürlich kapitalistischer Tätigkeiten hin abzurichten.
  • 00:31:10
    Zum anderen bleiben davon auch zwischenmenschliche Beziehungen nicht unberührt.
  • 00:31:14
    Man entnimmt dem Prinzip der Naturbeherrschung vielmehr das instrumentelle Kalkül zur
  • 00:31:18
    Etablierung auf sozialer Herrschaftsbeziehungen. Ob im politischen Raum,
  • 00:31:24
    im Bereich der Ökonomie, in der Kulturindustrie,
  • 00:31:26
    im Geschlechterverhältnis aller Orten hinterlässt die Aufklärung eine Spur der zwischenmenschlichen Versachlichung,
  • 00:31:34
    Verdinglichung,
  • 00:31:35
    Unterdrückung und Ausbeutung
  • 00:31:39
    So findet sich der mutmaßlich aufgeklärte,
  • 00:31:42
    der moderne Mann auf dreifache Weise entfremdet,
  • 00:31:46
    wie die im Anschluss natürlich an Marc sagen.
  • 00:31:49
    Von der unterjochten Natur, der äußeren Natur,
  • 00:31:52
    von seinem domestizierten Selbst und seinen instrumentalisierten Mitmenschen.
  • 00:31:58
    Aufgeklärte List ist so längst in absolute Dummheit umgeschlagen.
  • 00:32:03
    Es herrscht ein Zustand der allgemeinen, wie Sie sagen, Verblendung.
  • 00:32:07
    Der Mensch hat sich die Beherrschung der Natur erkauft mit dem Verlust all dessen,
  • 00:32:10
    was er im Zuge der Naturbeherrschung zu bewahren versuchte.
  • 00:32:14
    Total gewordene Herrschaft gerinnt zum bloßen Selbstzweck
  • 00:32:18
    Der vermeintliche Fortschritt der Menschheit entpuppt sich als ein stumpfes Fortschreiten
  • 00:32:21
    der Macht und als Prozess des Gattungsgeschichtlichen Verfalls,
  • 00:32:26
    die Überreife der Gesellschaft, wie Sie sagen,
  • 00:32:29
    lebt fortan von der Unreife der Beherrschten in einer Durch- und Durchverwalteten Welt,
  • 00:32:35
    vegetiert der Mensch kerklich vor sich hin.
  • 00:32:38
    Er mutiert zum bloßen Gattungswesen zum stumm verfügbaren Durch,
  • 00:32:43
    wie Sie sagen, Unterdruckung wird zur Tugend umgedichtet.
  • 00:32:49
    Menschen werden versehen, Zitat, mit dem Stempel Jude in die Gaskammer geschickt.
  • 00:32:55
    Die nationalsozialistische Barberei, so Hawkham oder Norno,
  • 00:32:58
    ist nicht
  • 00:32:59
    etwa Abkehr
  • 00:33:01
    Von den Geboten aufgeklärter Vernunft, sondern deren letzte Konsequenz. Dass Konzentrationslager exekutiertlos,
  • 00:33:11
    die von Beginn an unheilvolle Dialektik von Mythos und Aufklärung,
  • 00:33:15
    so die These, das ist harter Stoff, klingt stellenweise natürlich total übertrieben.
  • 00:33:21
    Und wer die Rezeptionsgeschichte der Dialektik der Aufklärung kennt,
  • 00:33:24
    weiß auch, was ihr vorgeworfen wird, ihr Durchweg,
  • 00:33:28
    Vernunft kritischer befunden, sei derart Lücken los,
  • 00:33:32
    dass er dem vernünftigen Gehalt,
  • 00:33:35
    den die Aufklärung zweifellos auch habe,
  • 00:33:37
    Unrecht widerfahren lassen
  • 00:33:40
    Außerdem sei die Welt ja dem Faschismus entsprungen und die Geschichte zu neuen Ufern aufgebrochen.
  • 00:33:47
    Zumindest als geschichtsphilosophisch erscheint es also, habe sich die Dialektik der Aufklärung erledigt.
  • 00:33:52
    Sie lassen sich deshalb heute lediglich noch mit ideengeschichtlichem Interesse lesen.
  • 00:33:59
    Aber ist dem tatsächlich so? Handelt es sich bei diesem
  • 00:34:01
    Buch um einen endgültigen Abgesang auf das Projekt der Aufklärung,
  • 00:34:04
    den man nur noch ideengeschichtlich sich zur Gemüte führen kann?
  • 00:34:09
    Ich denke nein. So schwarz, Forkheimer und Adorno auch sehen,
  • 00:34:11
    mögen sie lassen keinen Zweifel darin, daran,
  • 00:34:15
    dass die Idee, Zitat, der Freiheit in der Gesellschaft,
  • 00:34:19
    vom aufklärenden Denken unabtrennbar ist.
  • 00:34:23
    Zitat Ende
  • 00:34:25
    Die Autoren sind der Aufklärung keineswesen müde. Die legen auch
  • 00:34:29
    keinen Bekenntnis zum Irrationalismus ab oder sprechen sich gar für eine
  • 00:34:32
    Rückwendung zum Mütters aus. Sie beklagen lediglich die Tatsache,
  • 00:34:36
    das aufgeklärtes Denken ist bisher versäumt hat,
  • 00:34:39
    wenn man so will, selbstreflexiv zu werden.
  • 00:34:41
    Das bedeutet, sich über sich selbst aufzuklären.
  • 00:34:45
    Hockheim und Adorno verlangen eine grundlegende Revision, zivilisatorischer Denkungsart,
  • 00:34:51
    eine Art zweite Aufklärung.
  • 00:34:53
    Dazu muss sich aber die erste Aufklärung zunächst ihres Blauäugigen Fortschrittsglaubens entledigen,
  • 00:34:59
    indem sie sich ihres eigenen katastrophischen Potenzials endlich bewusst wird
  • 00:35:04
    Allenfalls dann mag es ihr gelingen, den weithin blind fortschreitenden Selbstzerstörungsprozess Einhalt zu gebieten.
  • 00:35:10
    Erst wenn die Vernunft aus ihrer Verstrickung in instrumentelle Herrschaft
  • 00:35:14
    gelöst wird, keimt wieder so etwas wie Hoffnung.
  • 00:35:18
    Angesichts der historische Katastrophe, hinterlassen Hockheim oder Dorno,
  • 00:35:23
    also eine Art philosophische Flaschenpost. In der Wagenzuversicht,
  • 00:35:28
    dass diese Flaschenpost eines Tages wohlmöglich gefunden und entschlüsselt wird,
  • 00:35:32
    damit, wie sie selbst am Ende des Buches sagen,
  • 00:35:35
    Zitat, es doch nicht ganz mit uns untergeht.
  • 00:35:40
    Damit wird das Projekt der Aufklärung gerade nicht ad acta gelegt
  • 00:35:44
    Es wird vielmehr als unvollendet ausgewiesen. Es muss zunächst den
  • 00:35:50
    derzeit agierenden Projektleitern in den Nationalsozialistischen Todeslagern und im sowjetischen Gulak entrissen werden.
  • 00:35:56
    Wir schreiben das ja 1944. Denn gleich sich diese historisch konkrete Front
  • 00:36:02
    in der Folgezeit auflöste, der damit angezeigte Geschichtsphilosophische Schluss,
  • 00:36:06
    ist bis heute aktuell geblieben. Die von Hockheim oder Dorno
  • 00:36:10
    an der Aufklärung geübte Kritik ist nicht etwa als Absage an Hegelsidee,
  • 00:36:15
    an der Vernunft in der Geschichte zu verstehen,
  • 00:36:18
    sondern als der Versuch, eine neuen,
  • 00:36:21
    adäquaten Begriff der Aufklärung,
  • 00:36:23
    wenn man so will,
  • 00:36:26
    Zu diesem Zweck wird eine Art Brandrodung des Gesamten sich aufgeklärt,
  • 00:36:30
    dünkenden Terrains unternommen, damit darauf eines Tages Neues vielleicht sogar Rettendes erwachsen kann.
  • 00:36:38
    Die hegelische Geschichtsphilosophie bleibt dabei stets, der konzeptionelle Ausgangspunkt,
  • 00:36:42
    wie man erscheint, wenn auch entgänzlich indivertierter Perspektive oder wie Adorno selbst
  • 00:36:47
    dann später in der negativen Dialektik sagen wird, Zitat,
  • 00:36:51
    zu definieren, wer der Weltgeist als permanente Katastrophe, Zitat Ende.
  • 00:36:58
    Es macht meiner Ansicht nach daher nur wenig Sinn,
  • 00:37:00
    die Dialektik der Aufklärung selbst als einen eigenen Geschichtsphilosophischen Großentwurf zu lesen,
  • 00:37:05
    der, wenn man so will,
  • 00:37:05
    positivistisch auf die Erklärung empirischer Geschichtsfakten
  • 00:37:10
    aus wäre
  • 00:37:12
    Die negative Fortschrittsgeschichte der beiden Autoren darf nicht in dem Sinne
  • 00:37:16
    historisch materialistisch missverstanden werden,
  • 00:37:18
    als ginge es ihnen um die Rekonstruktion notwendiger historischer Prozesse,
  • 00:37:22
    die unaufhaltsam ins Unheil haben führen müssen.
  • 00:37:26
    Jedenfalls meine These wäre die Dialektik der Aufklärung,
  • 00:37:29
    muss vielmehr als gezielt tendenziöse Gegengeschichte zur Hegel gelesen werden,
  • 00:37:35
    die einen Prozess der selbstkritischen Bewusstwerdung in Gang bringen soll.
  • 00:37:40
    Im Lichte der hegelischen Geschichtsphilosophie erweiste sich damit aber nicht einfach
  • 00:37:44
    als deren fatalistische Entgegensetzung,
  • 00:37:47
    sondern als eine Art Ergänzung
  • 00:37:50
    Hockheim oder Dorno konfrontieren Hegel mit dessen eigenen Programm.
  • 00:37:54
    Die rigorose Negation des ursprünglichen Programms ist nicht etwa der Versuch einer ergänzlichen Auslöschung,
  • 00:38:00
    idealistischen Denkens, die Dialektik der Aufklärung,
  • 00:38:03
    versteht sich vielmehr als Wegbereiter der Aufhebung von Geschichtsphilosophie im hegelischen Sinne.
  • 00:38:09
    Das heißt, als ein notwendiger Fortschritt der philosophischen Reflexion auf
  • 00:38:13
    die historischen Bedingungen der Möglichkeit von Freiheit.
  • 00:38:19
    Hockheim und Adorno sind sich mit Hegeln,
  • 00:38:21
    aber ich bringe auch mit Kant dahingehend völlig einig,
  • 00:38:24
    dass der historische Prozess der Aufklärung den Ausgang des Menschen
  • 00:38:28
    aus seiner selbstverschuldeten Unfreiheit bringen könnte
  • 00:38:32
    Doch aus guten historischen Gründen sind Hawkham oder Dorn skeptischer als ihre geschichtsphilosophischen Überfilter.
  • 00:38:39
    Der Zeitpunkt der Befreiung ist nicht schon in greifbarer Nähe,
  • 00:38:42
    war Hegel der Ansicht, sich darauf verlassen zu können,
  • 00:38:45
    dass sich die Freiheit Alsbadbahn brechen würde,
  • 00:38:49
    wird ihm von Hawkham oder Dorno die geschichtsphilosophische Gegenrechnung präsentiert.
  • 00:38:54
    Die Überwindung des Negativen ist nur möglich,
  • 00:38:57
    wenn man das Denken gegen das Denken und die Analyse gegen die Analyse treibt,
  • 00:39:01
    wie es heißt, in der Hoffnung, dass die Vernunft endlich Vernunft annehmen möge,
  • 00:39:06
    macht die Dialektik der Aufklärung, jedem letztlich unkritischen Fortschrittsglauben,
  • 00:39:10
    den Gaos, Sie ist getragen,
  • 00:39:13
    wenn man so will, von der Negativdialektischen Einsicht.
  • 00:39:17
    Das ist nichts Negativeres gibt, als das Gerede von der Positivität,
  • 00:39:21
    von welcher der Wahrhaftpositive am besten gar nicht erst redet.
  • 00:39:27
    Damit ist die Geschichtsphilosophie der Freiheit aber weder mit der hegelischen Geschichtssphilosophie
  • 00:39:31
    noch mit ihrem anderen der Dialektik der Aufklärer am Ende.
  • 00:39:35
    Als philosophische Erzählung, die nicht einseitig will,
  • 00:39:37
    wird sie überhaupt erst sinnvoll möglich.
  • 00:39:40
    Das, was die hegelische Geschichtsschreibung vernachlässigen zu können glaubt,
  • 00:39:44
    hat sich aus deren konzeptionelles Defizit erwiesen
  • 00:39:47
    Wo Hegel aufgrund seines idealistischen Philosophieverständnisses glaubte,
  • 00:39:51
    sich auf den Nachweis beschränken zu können und wann und wo
  • 00:39:54
    es in der Geschichte vernünftig zugegangen ist,
  • 00:39:57
    hat sich die Dialektik der Aufklärung als ein Hegel in negativen Vorzeichen entpuppt.
  • 00:40:02
    Horkheim und Adorno beschränken sich darauf, das Wirken einer historischen
  • 00:40:06
    Unvernunft aufzudecken, die sich als Schattenseite der Aufklärung erweist.
  • 00:40:12
    Die Vernunft wird sich,
  • 00:40:12
    wird für sich selbst so lange im toten Winkel bleiben,
  • 00:40:16
    wie sie nicht auch das Bewusstsein ihrer
  • 00:40:17
    eigenen Grenzen und ihrer Zerstörungsleistungen in sich aufnimmt
  • 00:40:23
    Geschichtsphilosophie nach Porkheim und Adorno, das wäre folglich der Versuch,
  • 00:40:28
    die historischen Bedingungen der Freiheit im Wissen, um ihr destruktives Negatives zu erkunden.
  • 00:40:36
    Eine Geschichtsphilosophie, die aus ihrer eigenen Geschichte lernen würde,
  • 00:40:39
    hätte daher beide Perspektiven ineinander zu verschränken. Von Hegel ist zu erfahren,
  • 00:40:44
    dass Geschichte einer Erzählung vom Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit sein kann,
  • 00:40:48
    während bei Hawkeye oder Dorno nachzulesen ist,
  • 00:40:51
    auf welche Abwege die Vernunft dabei geraten kann.
  • 00:40:55
    Geschichtsphilosophie ist weder, allein eine Geschichte über vernünftige Freiheit,
  • 00:41:00
    noch allein einer Erzählung über unvernünftige Unfreiheit,
  • 00:41:03
    sondern ein Bericht zur Lage der Menschheit,
  • 00:41:06
    von der wir nun mehr wissen,
  • 00:41:07
    dass sie schlicht zu allen fähig ist
  • 00:41:09
    Wird dem durchaus pathetischen Ziel Orientierung zu stiften,
  • 00:41:13
    referiert sie am Leitfaden von Vernunft und Freiheit,
  • 00:41:16
    den bisherigen Stand der Dinge.
  • 00:41:18
    Und zwar selbst noch dann, wenn sich dieser Leitfaden in
  • 00:41:20
    der historischen Nacht der Katastrophe zu verlieren scheint.
  • 00:41:27
    Karl Löwith hat einmal der Geschichtsphilosophie insgesamt bescheinigt,
  • 00:41:31
    das säkulare Erbe der jüdisch-christlichen Heilsgeschichte angetreten zu haben.
  • 00:41:37
    An dieser Diagnose ist sehr viel dran, wie mir scheint.
  • 00:41:39
    Und auch wenn Hockheim und Adorno eine negative Heilsgeschichte schreiben,
  • 00:41:43
    ihre Flaschenpost ist und bleibt eine Heilsgeschichte
  • 00:41:48
    Genau wie Hegel bleiben auch sie der jüdisch-christlichen Tradition verhaftet,
  • 00:41:52
    indem sie auf das, indem sie auf das,
  • 00:41:54
    wie auch immer, vorläufige Ende einer gerechten Welt hoffen,
  • 00:41:57
    die der Barbarai unwiderruflich entronnen wäre.
  • 00:42:00
    Auch wenn sie es nicht offen aussprechen,
  • 00:42:02
    sie bleiben dennoch dem, wie man sagt, eschatologischen,
  • 00:42:06
    das heißt dem heilsgeschichtlichen Denken treu.
  • 00:42:08
    Dieses Denken, ob ausdrücklich religiös oder aber säkulargeschichtsphilosophisch,
  • 00:42:14
    ist von der Hoffnung getragen,
  • 00:42:16
    dass die Menschheit irgendwann in einen Zustand übergehen könnte,
  • 00:42:20
    indem ihr endlich ein Ausruhen
  • 00:42:21
    möglich sein will
  • 00:42:24
    Diese Hoffnung selbst soll hier auch gar nicht verächtigt gemacht werden,
  • 00:42:28
    der philosophisch entscheidende Punkt ist ein anderer.
  • 00:42:31
    Auch Horkheimer oder Dorno tendieren dazu an eine gewisse Logik der Geschehnisse zu glauben.
  • 00:42:36
    Insofern ist nun bleibt die Dialektik der Aufklärung eine verdeckte Eschatologie,
  • 00:42:41
    unterschwellig stellt auch sie eine Erlösung in Aussicht,
  • 00:42:45
    damit aber erzeugt, beziehungsweise reproduziert sie in ihren Leserinnen und Lesern,
  • 00:42:50
    jedenfalls gegen Metas, damals so eine Art Zukunftsgewandte Halmweh-Spannung,
  • 00:42:55
    deren Befriedigung sich unendlich hinzuziehen droht
  • 00:43:02
    Im Anschluss an Löwith, könnte man daher sagen,
  • 00:43:04
    eins glaubte die Geschichtsphilosophie, sich vom religiösen Denken emanzipieren zu können,
  • 00:43:10
    indem sie den menschlichen Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit voll und
  • 00:43:13
    ganz in menschliche Hände legte und zur Aufgebung zur Aufgabe der Aufklärung machte.
  • 00:43:19
    Nitianisch gesprochen, als Gott im Sterben lag,
  • 00:43:22
    trat die Geschichtsphilosophie dessen Erbe als universellarischen Sinnstifte an.
  • 00:43:28
    Aus heutiger Sicht müssen wir jedoch erkennen,
  • 00:43:30
    schon die Religion ist Geschichtsphilosophie und Geschichtsphilosophie schlägt in Religion zurück.
  • 00:43:36
    Zu kritisieren ist die Geschichtsphilosophische Tradition meiner Ansicht nach nicht deshalb,
  • 00:43:41
    weil sie auf Entspannung hofft
  • 00:43:43
    Sondern weil ihre echatologische Heilserwartung sich dafür blind macht,
  • 00:43:47
    dass in der Heilsgeschichte selbst die größte heillose Verwirrung liegt.
  • 00:43:52
    Und eben diese These möchte ich im Rest meines Vortrags nachspüren, dieser These. Die zuletzt skizzierte Überzeugung,
  • 00:44:01
    dass die traditionelle Geschichtsphilosophie kaum weniger, wie mir scheint,
  • 00:44:04
    als die Religion einem letztlich dramatischen Heilsverständnis folgt, einem Heilsverständnis,
  • 00:44:09
    dem auch Hockheimer oder Dorno sich nicht entziehen können.
  • 00:44:13
    Also das besagt die zuletzt skizzierte Überlegung. Will die Geschichtsphilosophie überleben und in der Tat gibt es heute kaum noch jemanden,
  • 00:44:20
    der sich irgendwie traut,
  • 00:44:22
    offensiv Geschichtsphilosophie zu betreiben und die beiden erwähnten Mangelsprojekte sind daran nicht ganz unschuldig,
  • 00:44:29
    die sozusagen, weil sie einerseits zu optimistisch, andererseits zu pessimistisch waren,
  • 00:44:32
    das Anliegen der Geschichtsphilosophie in der akademischen Welt ein wenig diskreditiert haben,
  • 00:44:38
    dann muss ich restlos dieses Heilsgeschichtes,
  • 00:44:40
    da muss sie sich restlos dieses heilsgeschichtlichen Erbes entledigen.
  • 00:44:46
    Daher sollte die Geschichtsphilosophie ruhig einmal daran erinnert werden,
  • 00:44:49
    dass sie in einer ihrer wichtigsten, sagen wir mal,
  • 00:44:51
    Zwischenphasen als eine Kritik an religiösen Endzeitstimmungen angelegt gewesen ist.
  • 00:44:57
    Ich habe hier den jungen Karl Marx vor Augen,
  • 00:45:00
    von dem ja bereits letzte Woche im Rahmen des Vortrags von
  • 00:45:02
    Georg Lohmann die Rede gewesen ist
  • 00:45:05
    Marx, der spätere Kritiker des aufkommenden Kapitalismus,
  • 00:45:09
    ist in seinen jungen Jahren von einem zweiten Thema, mindestens ebenso gefesselt gewesen.
  • 00:45:15
    Und zwar von dem Verhältnis oder besser Missverhältnis zwischen menschlicher Emanzipation
  • 00:45:19
    einerseits und menschlicher Religiosität, andererseits. Für Marx stand außer Zweifel,
  • 00:45:26
    dass die Religiosität des Menschen und damit dessen Glauben an eine jenseitige Erlösung,
  • 00:45:32
    eine der letzten Hürden auf dem Weg zur menschlichen Emanzipation darstellt.
  • 00:45:37
    Der monotheistische Glaube des Christentums, aber auch des Judentums und des Islams,
  • 00:45:41
    ist nach Marx nichts anderes als ein,
  • 00:45:43
    wenn gleich verständlicher Reflex auf den ernüchternden Umstand,
  • 00:45:47
    dass das Leben im sogenannten Diesseits voll von Elend und Mühsal ist.
  • 00:45:53
    Der Mensch schuf sich die Religion und mit der Vorstellung von
  • 00:45:56
    einem paradiesischen Jenseits eine Art Fluchtpunkt parat zu haben,
  • 00:46:00
    wie das Leid der wirklichen Welt zu legitimieren,
  • 00:46:03
    zumindest aber über es hinweg zu trösten vermag.
  • 00:46:07
    Marx hat hier bekannt, sich so etwas wie ein Opiumrausch vor Augen,
  • 00:46:11
    eine heilsgeschichtliche Dröhnung, die als solche nicht weiter bedenklich wäre,
  • 00:46:15
    wenn sie den Menschen nicht vollends den Blick dafür trüben würde,
  • 00:46:17
    dass der Gang der Welt mit all ihrem Elend
  • 00:46:20
    eben doch nicht Gott gewollt,
  • 00:46:21
    sondern menschengemacht und
  • 00:46:23
    daher veränderbar ist
  • 00:46:25
    Der Glaube an ein höheres Wesen, das die Geschicke des Menschen denkt,
  • 00:46:29
    entbindet den Menschen auf fahrlässige Weise von der Verantwortung für sein
  • 00:46:33
    eigenes Schicksal zum Markt und liefert ihn so der willkürlichen Macht,
  • 00:46:36
    völlig kontingenter politischer Kräfteverhältnisse aus.
  • 00:46:40
    Ja, wenn man so will, selbst verschuldet,
  • 00:46:42
    unmündiger Mensch, beraubt sich damit eigenhändig der Möglichkeit,
  • 00:46:46
    sich in selbstverantwortlichen Taten als ein autonomes,
  • 00:46:48
    zur historischen Veränderung fähiges Wesen zu erfahren und auf diesem Wege eben zu Vernunft,
  • 00:46:54
    Freiheit, zur Demokratie oder auch zum Menschenwürde zu gelangen.
  • 00:46:58
    Und das war ja auch die These,
  • 00:46:59
    die Georg Lohmann
  • 00:47:00
    letzte Woche vertreten hat
  • 00:47:03
    Halten bis heute zahlreiche Denkerinnen und Denker an der Überzeugung fest,
  • 00:47:06
    dass insbesondere die Idee der Menschenwürde ohne Bezug auf einen
  • 00:47:11
    göttlichen Grund gar nicht zu haben sei.
  • 00:47:14
    So laufen die Überlegungen, die Marx vom Weitmeer als 150
  • 00:47:18
    Jahren angestellt hat, auf die diametral entgegengesetzte Ansicht hinaus.
  • 00:47:23
    Wahre menschliche Würde ist allein, ohne die Religion zu haben.
  • 00:47:29
    Denn auch die Religion hält den Menschen am Boden. Zitat,
  • 00:47:32
    die Kritik der Religion endet mit der Lehre die Kritik der Religion,
  • 00:47:36
    endet mit der Lehre,
  • 00:47:38
    dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen ist
  • 00:47:41
    Also mit dem kategorischen Imperativ alle Verhältnisse umzuwerfen,
  • 00:47:44
    in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes,
  • 00:47:47
    ein Verlassenes, ein verächtliches Wesen ist, Zitat N.
  • 00:47:52
    Der hier von Marx auf meine Anlehnung an kann,
  • 00:47:55
    formulierte Imperativ, ist Absage an jenseitige theologische Heilsversprechen.
  • 00:48:01
    Das ganze Ausmaß herrschenden Leidens wird durch Religion bloß ideologisch übertüncht,
  • 00:48:05
    verbrämt und was das Schlimmste ist, gerechtfertigt.
  • 00:48:11
    Die in jenseits, die ins jenseits zielende Heimwegspannung
  • 00:48:13
    geht mit diesseitigem Fatalismus und nahezu depressiver Widerstandslosigkeit
  • 00:48:18
    Hand in Hand
  • 00:48:20
    Der Mensch, so heißt es an anderer Stelle,
  • 00:48:22
    wurde nicht von der Religion befreit, erhielt die Religionsfreiheit.
  • 00:48:28
    Zitat Ende. Solange sich aber der Mensch den Blicken eines Malstrafenden mal gütigen,
  • 00:48:32
    stets aber über ihm stehenden Gottes ausgesetzt fühlt,
  • 00:48:36
    wird er den eigenen Blick demütig zu Boden richten und sich dabei auf Dauer des Rückgrats verbiegen.
  • 00:48:43
    Und zu ergänzen wäre, nach Marx,
  • 00:48:46
    solange es ein höheres über dem Menschen stehenden Wesen gibt,
  • 00:48:50
    werden dann auch fanatische Glaubensanhänger diesem Gott Opfer bringen wollen,
  • 00:48:54
    um sich für eine bessere Welt im Jenseits zu qualifizieren,
  • 00:48:58
    womit wir bei einigen abschließenden zeitdiagnostischen Überlegungen zu einer geschichtsphilosophischen Kritik
  • 00:49:04
    am sogenannten Wiedererstarken der Religionen angelangt werden.
  • 00:49:11
    Die hier mit Marx angedeutete Hoffnung auf anti-eschatologische Selbstheilungskräfte der
  • 00:49:15
    geschichtsphilosophischen Abteilung wäre gar nicht weiter der Erwähnung wert,
  • 00:49:21
    wenn nicht auch der Gegenstand der heutigen Geschichtsphilosophie einer heilsamen Ernüchterung bedurfte.
  • 00:49:29
    Worum müsste es einer geschichtsphilosophischen Zeitdiagnose heute gehen
  • 00:49:35
    Nach Hakan Radon. Wenn es um Deutungen der jüngeren Vergangenheit und
  • 00:49:39
    der weltpolitischen Lage geht, weist man heute gern darauf hin,
  • 00:49:42
    dass mit dem Jahr 1989 und dem Zusammenbruch des Ostblocks
  • 00:49:47
    ein neues Zeitalter begonnen habe.
  • 00:49:51
    Wenn das Ende der Geschichte von Francis Fukuyama war gewissermaßen der
  • 00:49:54
    Endsieg der Demokratie westlicher Prägung.
  • 00:50:00
    Aus Sicht der westlichen Welt mag das vielleicht stimmen.
  • 00:50:06
    Noch immer unterschätzt wird jedoch die Tatsache,
  • 00:50:10
    dass 1. September 2001 die entscheidende globale Wende gebracht hat
  • 00:50:16
    Die Utopie einer weltumspannenden Republik gleicher Weltbürgerinnen und Weltbürger,
  • 00:50:24
    die zusammen in Vernunft, Freiheit, Demokratie und Menschenrechten zusammenleben.
  • 00:50:29
    Diese Utopie, an die man noch in der zweiten Hälfte
  • 00:50:32
    des 20. Jahrhunderts hat glauben dürfen, zerschellte,
  • 00:50:35
    als am Himmel New Yorks zwei Flugzeuge auftauchten,
  • 00:50:38
    die eine oft missverstandene Botschaft im Gepäckraum mit sich trugen.
  • 00:50:43
    Der sogenannte Kampf der Kulturen,
  • 00:50:45
    den einflussreiche Politikerinnen und Politiker und viele Intellektuelle mit den Anschlägen
  • 00:50:51
    auf das World Trade Center gekommen sahen,
  • 00:50:53
    ist nicht etwa an der Grenze zwischen Oktident und Orient
  • 00:50:58
    Abendland und morgen dann zu situieren. Auch wenn Pegida das gerne so hätte.
  • 00:51:03
    Der derzeit geschichtsphilosophisch entscheidende Grenzverlauf steht quer zu diesen kulturellen Fronten.
  • 00:51:09
    Er trennt auf der einen Seite fundamentalistische Anhänger, monotoistische Religionen,
  • 00:51:15
    die an ein Heil im Jenseits glauben und auf der anderen Seite säkularisierte Weltbürgerinnen und Weltbürger,
  • 00:51:21
    die auf ein wenigstens menschenwürdiges Leben im Diesseits hofft.
  • 00:51:29
    Die abschließenden und im folgenden vorgetragenen Überlegungen verstehen sich jetzt durchaus,
  • 00:51:33
    wenn man will, als eine oder in der Tradition von Horkheim Radorno
  • 00:51:36
    stehen und alles damit und eine Art Zeitdiagnose, neuere Formen des Irrationalismus,
  • 00:51:44
    ohne dass Hawkheimer und Adorno selbst irgendwie so etwas wie eine ausdrückliche Kritik am religiösen Fundamentalismus vorgelegt hätten.
  • 00:51:54
    Wir haben es heute, es scheint mir erneut mit einer Entwicklung zu tun,
  • 00:51:57
    in der auf unheilvolle Weise Aufklärung in Mythologie zurückschlägt. Der Fundamentalismus,
  • 00:52:03
    monotheistischer Prägung und sogleich sei hinzugefügt der Fundamentalismus gleich welcher Prägung,
  • 00:52:09
    ob nun islamisch, jüdisch, christlich,
  • 00:52:12
    weil es steht zwei charakteristische Merkmale auf,
  • 00:52:16
    Zum einen liegt auf Seiten seiner Anhänger die unumstößliche Gewissheit vor,
  • 00:52:20
    dass allein sie von Gott die ganze Wahrheit übermittelt bekommen haben.
  • 00:52:24
    Besessen davon, im Besitz eines privilegierten Wissens zu seins,
  • 00:52:28
    sind sie zur Not, zur gewaltsamen Verteidigung dieser göttlichen Wahrheit bereit.
  • 00:52:33
    Zum anderen besitzen Fundamentalisten stets die nicht weniger gefestigte Überzeugung.
  • 00:52:38
    Und das erscheint mir wichtig, dass dem Säkularen und damit
  • 00:52:41
    von allem Religiösen möglichst Einfluss möglichst gereinigten Staat jede Legitimationsgrundlage fehlt.
  • 00:52:49
    Wenn Gott allein Stifter der Wahrheit ist,
  • 00:52:51
    dann muss jeder Staat, der auf Gottes Segen verzichtet,
  • 00:52:54
    gottlos und verloren sein
  • 00:52:56
    Für den Fundamentalismus bilden göttliche und weltliche Macht letztlich doch ein
  • 00:53:01
    unauflösliches Arme ergaben. Die Errichtung eines sogenannten islamischen Staates,
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    wie er derzeit in Syrien und anderswo auf dem Vormarsch ist,
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    ist nicht etwa nur ein neues Hirngespinst,
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    sondern ein alter Traum,
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    den so oder so ähnlich auch andere Fundamentalisten geträumt haben und noch immer träumen.
  • 00:53:22
    Man mag nun einwenden, die derzeitige Gefährlichkeit religiöser Weltanschauung,
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    die allein von diesen fanatisch-fundamentalistischen Glaubensbrüdern und Schwestern
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    heraus,
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    aber nicht schon von jedem Gläubigen
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    Tatsächlich fällt es gemäßigten Glaubensbrüder und Schwestern in der Regel leicht,
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    fanatische Exzesse, wie etwa die Exekution der Satire-Redaktion von Charlie Abdou, öffentlich anzuprangern.
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    Das heißt dann, der Islam verbietet selbst im Mordattentate oder
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    auch das Christentum lehnt den Krieg ab oder ähnliches.
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    Als sei dies in einer zivilisierten Welt, nicht ohnehin selbstverständlich.
  • 00:53:58
    Doch mag man daran zweifeln, ob es sich
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    die Religionsgemeinschaft und insbesondere deren Eliten derart einfach machen können.
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    Wenn tatsächlich gilt, was gelegentlich behauptet wird,
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    dass der Islamismus nichts mit dem Islam zu tun habe,
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    dann müsste im Grunde ja auch gelten,
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    dass der Buddhismus nichts mit Buddha,
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    der Protestantismus nicht mit Protest und der Kapitalismus,
  • 00:54:20
    nichts mit Kapital
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    zu tun hat
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    Klafft also zwischen radikalen und gemäßigten Moslems zwischen fundamentalistischen und friedwertigen Christen,
  • 00:54:29
    zwischen orthodoxen und weltlichen Juden, tatsächlich ein so sicherer Abgrund.
  • 00:54:34
    Bei allen interkonfessionellen Absichtserklärungen und Toleranzgeboten auf der rhetorischen Oberfläche des
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    multikulturellen Dialogs. Es ist und bleibt anzunehmen,
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    zumindest was die drei genannten monotheistischen Religionen angeht,
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    dass diese alle im Kern exklusiv eingestellt sind.
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    Erstens fühlen sie sich den jeweils anderen Glaubensgemeinschaften überlegen und
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    zweitens verdammen sie den Nichtgläubigen
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    Zudem gilt für jeden monotoistischen Fundamentalismus,
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    was übrigens zugleich auch für viele politische Ideologien gilt,
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    wie etwa für den Marxismus oder auch den Neoliberalismus, wer eine Weltanschauung,
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    oder wer einer Weltanschauung anhängt, einer der totalen Weltanschauung,
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    legt oft auch einen Hang zur Besserwisserei an den Tag.
  • 00:55:26
    Die meisten Besserwisser wiederum haben eine Tendenz zum Dogmatismus,
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    Dogmatisten neigen zu Fundamentalismus oder gar zu Fanatismus,
  • 00:55:34
    Fanatiker wiederum zur Aggressivität und aggressive Menschen zur Gewalt und
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    wirklich keiner,
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    keiner davon neigt zu ausgelassenem Humor
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    Natürlich, nicht jeder humorlose Anhänger einer Weltanstaltung ist ein potenzieller Terrorist.
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    Aber wer ernsthaft behaupten wird, ist bestehe, da kein Zusammenhang,
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    lässt Redlichkeit vermissen. Damit aber liegt ein Generalverdacht auf der Hand,
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    der von der Kritik des religiösen Terrors über die Kritik weniger
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    fundamentalistischer Religionspraktiken letztlich zu dem Zweifel von Karl Marx zurückführt,
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    ob nicht die Religiosität des Menschen als solche,
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    ein Problem für die Vernunft und die Freiheit,
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    für die Menschenwürde, die Demokratie, für die Menschenrechte darstellt.
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    Damit komme ich ein letztes Mal im Anschluss an Hawkham oder Dorno
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    , auch die Selbstzerstörungskräfte der Aufklärung
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    zu sprechen
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    Viel interessanter nämlich, als jede eher altbackene Kritik am Entwicklungsstand
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    vermeintlich unaufgeklärter Religionen, ob nun Christentum, Judentum, Islam.
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    Viel interessanter scheint mir die Frage zu sein,
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    ob die Aufklärung selbst an deren Wiedererstarken Schuld trägt.
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    Diese philosophische Verunsicherung wird immer dann spürbar,
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    wenn heute von durchaus einflussreiter Seite aus,
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    und zwar direkt aus den Reihen,
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    vorbildlich aufgeklärter Philosophinen und Philosophen,
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    wie etwa Jürgen Habermas oder Charles Taylor,
  • 00:56:58
    die sogenannte Postsekulare Gesellschaft ausgerufen wird
  • 00:57:03
    Schon aus Prefix, Pox, Post zeigt an,
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    dass hierzu einer Wiedersehensfeier geladen wird.
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    Vor allem auch im linksliberalen Rahmen soll offenbar für einen
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    entspannteren Umgang mit den Religionen geworben werden. Man glaubt,
  • 00:57:14
    erkannt zu haben, dass der Gesellschaft wichtige Bindungskräfte fehlen,
  • 00:57:20
    wenn ihr die sogenannte Transidenz, das Übersinnliche abhanden kommt.
  • 00:57:24
    Der säkulare Staat, so heißt es in einer viel zitierten,
  • 00:57:27
    berühmten Formulierung von Ernst Wolfgang Böckenförde, lebe von Voraussetzungen,
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    die er selbst nicht garantieren kann.
  • 00:57:34
    Und so hofft man auf eine, sagen wir mal,
  • 00:57:36
    bedingte, das heißt nicht fundamentalistische Frömmigkeit und kauft sich dabei
  • 00:57:40
    am Ende doch viel zu viel ein,
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    indem man die demokratisch-politische Öffentlichkeit neuerlich für dezidierte religiöse Begründungen öffnet
  • 00:57:49
    Eben damit, so steint mir, schlägt Aufklärung neuerlich in Mythologie zurück.
  • 00:57:54
    Und ich möchte dies hier skizzenhaft noch ein wenig ausführen.
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    Das aus meiner Sicht schwerwiegendste Probleme,
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    über das ich mit Ihnen gerne diskutieren möchte, das in der Moderne,
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    in eine Sackgasse angelangten Aufklärungsprojektes besteht darin, dass die Aufklärung,
  • 00:58:10
    wie mir scheint, zwei diametral entgegengesetzte Denkbewegungen in Gang gesetzt hat.
  • 00:58:17
    Da ist zum einen Ihr Einsatz für einen autonomen Vernunftgebrauch,
  • 00:58:22
    der normativer Hinsicht zu Freiheit, Demokratie,
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    Menschenrechten,
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    Menschenwürde führen soll
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    Und da ist zum anderen, ich weiß nicht,
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    wie es anders ausdrücken soll, ein sich lebensweltlich ausbreitender,
  • 00:58:34
    kritischer Rationalismus,
  • 00:58:37
    der sich eins zu Beginn gegen traditionelle Dogmatismen gestemmt hat,
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    zunehmend aber jede Art von epistemischer und vor allem auch normativer Gewissheit entsagt.
  • 00:58:47
    Und heute schlicht mehr und mehr in einen Relativismus der interkulturellen Beliebigkeit umschlägt.
  • 00:58:53
    Spitzt man es so zu, wird umgehend ersichtlich,
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    dass man nicht beides zugleich haben kann. Ein starkes,
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    selbstbewusstes Plädoyer für Autonomie, Demokratie,
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    Menschenwürde und universelle Menschenrechte und zugleich die skeptische Weigerung,
  • 00:59:06
    eine jeweils bestimmte Gewissheit als für alle Menschen gleichermaßen verbindlich zu akzeptieren
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    Das Problem ist nun, wie mir scheint,
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    dass wir es derzeit mit einer intellektuellen Situation zu tun haben,
  • 00:59:21
    in der diese zweite Denkbewegung der intellektuelle Relativismus einen vorläufigen Sieg davon getreuen hat.
  • 00:59:31
    Dies hat die Auflösung von Gewissheiten zufolge und hinterlässt
  • 00:59:35
    eine gewisse Spätmoderne, wie es oft heißt, Lehre.
  • 00:59:39
    Diese Lehre wird von vielen Menschen als schwer erträglich empfunden.
  • 00:59:43
    Sie führt zu einem neuerlichen Unbehagen an der Spätmoderne und
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    gelegentlich kommt es dann zu dem gerade zu verzweifelten Bemühen,
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    die entstandenen Sinnlöcher mit neuen oder alten Sinnangeboten.
  • 00:59:55
    Ja, und vor allem auch mit religiösen Fundamentalismen zu stopfen,
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    die ein klares Feindbild und damit Orientierung bieten
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    Man sehnt sich nach Klarheit,
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    Verbindlichkeit und nach einer neuen Politik der Drastik,
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    der auf die Sinnlehre unserer Tage reagieren,
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    Fundamentalismus und Terrorismus ist also nicht etwa das andere der Aufklärung,
  • 01:00:16
    sondern wenn man so will, deren Ausgeburt.
  • 01:00:19
    Eine Art Bastard, wie Peter Slutterdeik sagen würde, ein Bastard,
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    der sich gegen die eigene Herkunft stemmt und trotz sich antritt,
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    mit dieser Herkunft zu brechen. Mit Blick auf das Grauen,
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    etwa, das derzeit der IS verbreitet,
  • 01:00:32
    kommen viele politische Kommentatoren dieser Beobachtung schon sehr nahe,
  • 01:00:36
    wenn sie die These vertreten,
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    der IS,
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    seine Ausgeburt des Imprealen Machtstrebens des Westens
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    Eine Folge der Kriege und so weiter. Aber es ist wohl noch etwas kompliziert.
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    Also er ist eine Reaktion auf den globalen Siegeszug der Aufklärung.
  • 01:00:51
    Wenngleich einer bloß halbierten, einer relativistisch missverstandenen Aufklärung,
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    die aller Orten Lehre hinterlässt und damit Platz für fundamentalistischen trotz Terrorschaft.
  • 01:01:03
    Genau hier gilt einmal mehr, schon der Mythos ist Aufklärung und Aufklärung schlägt in Mythologie zurück. Dies erklärt,
  • 01:01:09
    wie mir erscheint, einerseits, aber darüber wäre es zu diskutieren,
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    warum nicht immer mehr Menschen darunter immer häufiger auch junge Menschen,
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    die sich nach klarer Orientierung sehnen,
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    in einem imaginären oder sogar realen Heiligen Krieg einfinden,
  • 01:01:24
    egal ob in den Reihen von IS, NSU,
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    Pegida, welche Abkürzung sie auch immer hier verwenden wollen.
  • 01:01:32
    Dies erklärt aber auch zum anderen, warum sich,
  • 01:01:35
    und das ist noch wichtiger,
  • 01:01:37
    warum sich die intellektuellen Eliten derzeit so ungeheuer schwer damit tun,
  • 01:01:42
    die aufgeklärten Ideale der Vernunft, Autonomie, Demokratie,
  • 01:01:47
    Menschenwürde und Menschenrechte selbstbewusst gegen diese neuen und alten Fundamentalisten zu Fundamentalismen zu verteidigen.
  • 01:01:56
    Viele Intellektuelle stehen eben zugleich auch unter dem Bann in der
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    zweiten Denkbewegung eines hyperkritischen Relativismus, der ihnen sagt,
  • 01:02:04
    dass dieser Ideen am Ende eben doch nicht mehr universelle
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    Gültigkeit beanspruchen dürfen als etwa jeweils ihr Gegenteil
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    Und wenn Sie vielleicht schon einen Blick in den neuen Roman
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    von den letzten Romanen von Michael Beck geworfen haben,
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    den ich tatsächlich sehr empfehlen kann,
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    so lässt sich auf intellektueller akademischer Seite in diesem Milieu spielt,
  • 01:02:26
    dieses Buch auch ein gewisser Trendgard zur lustvollen Unterwerfung,
  • 01:02:31
    unter diese neuen Formen von Unfreiheit diagnostizieren.
  • 01:02:34
    Entsprechend heißt das Buch ja auch die Unterwerfung. Ich könnte hier
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    noch weitere Beispiele für die unheilvolle Allianz zwischen einem vermeintlich aufgeklärten
  • 01:02:43
    heute aber zur Unterwerfung neigenden Intellektualismus einerseits und einer neuen Suche nach fundamentalen Gewissheiten andererseits anführen.
  • 01:02:51
    Nehmen wir zum Beispiel die soeben erschienene Sonderausgabesphilosophie-Magazins.
  • 01:03:00
    Der Koran, ein ganzes philosophisches Heft nur über den Koran.
  • 01:03:04
    Bis zunächst einmal noch nicht schlimm, noch nicht schlimm,
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    der hier geradezu, aber wie ein philosophischer Text behandelt wird,
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    ohne dabei allzu kritisch zu werden.
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    Ganz am Schluss kommen so immer so Zeittexte, die so
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    ein bisschen kritisch sind. Und so als würde es dazu passen,
  • 01:03:18
    heißt das Editorial auch Aufklärung statt Angst.
  • 01:03:22
    Und sicher ist Angst oft kein guter Ratgeber,
  • 01:03:25
    aber vor einer aufgeklärten Philosophie,
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    die sich derartig an den interreligiösen Zeitgeist heranschmeißt,
  • 01:03:32
    kann man schon mal bisweilen ein wenig Angst haben
  • 01:03:36
    Es wäre mir jedenfalls aus philosophischer Sicht schon wichtig,
  • 01:03:40
    an dem Unterschied zwischen Kanthegel und sagen wir mal Mohammed festzuhalten.
  • 01:03:47
    Ein nächstes Beispiel und auch ein letztes ist die intellektuelle Begeisterung,
  • 01:03:51
    mit der manche Denkerinnen und Denker in den letzten Jahren auf
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    die Reden und Texte von Josef Ratzinger beziehungsweise von Papst Benedict,
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    dem 16. reagiert haben.
  • 01:04:01
    Dessen ausdrückliches Leitmotiv war ja die Unterordnung der Vernunft unter den Glauben.
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    Ich zitiere mal aus einer seiner vielen Reden, Zitat,
  • 01:04:11
    das Vorurteil gewisser moderner Denker, denen zufolge die menschliche Vernunft
  • 01:04:18
    von den Glaubenssätzen gleichsam blockiert wäre, also mein Verurteil ist falsch.
  • 01:04:24
    Genau das Gegenteil ist wahr. Genau das Gegenteil ist wahr,
  • 01:04:29
    das würde bedeuten, der Glauben wird durch die Vernunft blockiert.
  • 01:04:34
    Und so muss die moderne Vernunft voll enthaltlos bleiben,
  • 01:04:37
    daran ließ Radsinger keinen Zweifel,
  • 01:04:40
    bis sie sich nicht neulich auf den christlichen Glauben gründen will.
  • 01:04:44
    Mir scheint ein Rest an ursprünglich, ich meine,
  • 01:04:46
    der Papst ist unfehlbar, aber jetzt ist er ja nicht mehr Papst,
  • 01:04:48
    ein Rest an ursprünglicher Aufklärung in sich verspürt wird,
  • 01:04:51
    ausrufen müssen,
  • 01:04:52
    was für ein Unsinn
  • 01:04:54
    Aber ich muss zum Schluss kommen. Zumindest die über sich selbst
  • 01:04:58
    aufgeklärte Geschichtsphilosophie sollte sich nicht gänzlich zurückziehen und damit erneut religiösen Heilsgeschichten das Feld überlassen.
  • 01:05:05
    Denn diese religiösen Heilsgeschichten fallen allesamt treffsicher,
  • 01:05:09
    hinter den einmal erreichten Stand des kritischen Denkens zurück.
  • 01:05:13
    Die hier erzogene Konfrontation zweier geschichtsphilosophischer Untote, also Hegel und
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    die Dialektik der Aufklärung, sollte eben diese Einsicht vorbereiten.
  • 01:05:22
    Der Fortschritt der Ideen, Vernunft, Autonomie, Freiheit,
  • 01:05:26
    Demokratie, Menschenwürde, Menschenrechte, kürzlich kaum von selbst ergeben.
  • 01:05:31
    Es gilt, diese Ideen vehement zu verteidigen Und zwar
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    nicht nur gegen derzeit neuerlich angesagte Abgesänge auf die Aufklärung,
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    sondern eben auch gegen deren falsche Freude.
  • 01:05:42
    Freunde, die das Projekt, wenn man so will,
  • 01:05:44
    halbieren und auf das Plädoyer für relativistische Beliebigkeit reduzieren.
  • 01:05:50
    Geschichtsphilosophie heute, das wäre eine historisch rekonstruktiv verfahrende Bestandsaufnahme der Ideen,
  • 01:05:55
    etwa Vernunft, Autonomie, Freiheit, Demokratie, Menschenwürde,
  • 01:06:00
    Menschenrechte, samt ihres Wirkens in der Geschichte.
  • 01:06:03
    Diese Ideen mögen abendländischen Ursprungs sein und heute eben dafür
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    von relativistischer Seite aus gescholten oder sogar verlacht werden.
  • 01:06:12
    Doch sie haben sich auch hier keineswegs von selbst ergeben
  • 01:06:15
    Sie mussten erkämpft werden. Sie sind das Ergebnis historischer Unrechtserfahrung
  • 01:06:20
    . Und wer noch immer an die Aufklärung glaubt,
  • 01:06:22
    sollte dieses historische Erbe nicht leichtfertig ausschlagen.
  • 01:06:26
    Vielen Dank, Aston