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Liebe Frau Wagenner, ganz herzlichen Dank für diese ausführliche Vorstellung.
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Meine Geduld haben Sie ein bisschen strapaziert, aber jetzt kann
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ich Ihre Geduld etwas strapazieren, meine Damen und Herren.
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Dadurch, dass ich nicht nur über Litsche spreche,
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sondern auch eine einleitende Bemerkung über einen Denker mache,
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der in dieser Ringvorlesung gar nicht vorkommt.
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Und zweitens will ich doch vorab darauf hinweisen,
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dass Sie im Gang,
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das ist mir erst bei der Lektüre des Textes heute aufgefallen,
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im Gang doch merken,
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woran ich augenblicklich arbeite,
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nämlich über die Theorie der Humanität
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Die Frage, meine Damen und Herren, wie weiter mit,
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ist offenbar nicht von dem Zweifel angekränkelt, dass gar nichts mehr geht.
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Tatsächlich darf man das so lange realistisch nennen, wie es
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ohnehin irgendwie weitergeht. Über dies setzt jeder Versuch im wie immer
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auch beschaffenen geistigen Raum etwas für beendet zu erklären,
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energienfrei, die mit ziemlicher Sicherheit dazu führen,
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dass etwas nicht in Vergessenheit gerät.
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Allein damit schon dann
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auch eine Fortsetzung hat
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Die Probe auf Sexempel wird nun schon in Kürze,
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Martin Heiliger, ermöglichen. Er hat sich ausweislich der schwarzen Hefte
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nunmehr definitiv selbst zur einzigen Fortsetzung eines Unausdenkbaren anfangs erklärt.
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Da auch die Fortsetzung so unbekannt und ausweglos wie der unbegreifliche Anfang ist,
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hat Heidiger sich damit unwiederruflich selbst zum Ende von allem erklärt,
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was ich überhaupt denken lässt.
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Zugleich aber möchte er auch der Unvordenkliche
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Anfang sein
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Ging es hinter der Philosophie, nach dem Kriterium rationale Einsicht,
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müsste sich Heiliger damit eigentlich erledigt haben. Aber ich sage voraus,
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dass uns dadurch nicht das Glück beschieden ist oder beschieden sein wird, ihn wirklich los zu sein.
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Es wird weiterhin Menschen geben, die uns weismachen wollen,
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dass er ein Philosoph gewesen ist, womöglich noch der größte des 20. Jahrhunderts.
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Erst vor wenigen Monaten habe ich von einem Hamburger Kollegen,
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er ist nicht anwesend heute, ich hätte mich aber gefreut,
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wenn er je wäre, gehört,
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er schreibe an einem Buch über das Gespann der beiden wichtigsten Denker des 20. Jahrhunderts.
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Nämlich über Wittgenstein und Heidegan. Gegen Wittenenstein ist meine Damen und Herren
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nichts zu sagen. Er ist ein Denker von seltener Genialität,
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sodass wir gelassen abwarten können,
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wie spätere Generationen über ihn im Vergleich, sagen wir,
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zu Perth oder James, Pflege oder Russell,
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Vergleich zu Bergson, Hussal oder Kassierer, Whitehead oder Yui,
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Plessner, Hannah Arendt oder Hans Blumenberg urteilen werden.
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Aber Heidiger ist so viel,
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das bitte ich nicht zu vergessen, so viel,
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aber auch so wenig ein Philosoph wie Hitler,
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ein Politiker ist
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Doch selbst bei Hitler sehen wir, dass es Menschen gibt,
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die dabei bleiben ihnen für eine historische Größe zu halten.
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Und allein um ihnen vor Augen zu führen, dass sie sich irren,
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ist es gut, wenn sich Historiker mit Heiliger befassen.
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Aus dem gleichen Grund wird man sich natürlich eben auch mit
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Heiliger beschäftigt. Wollte ich sagen, mit Hitler beschäftigen.
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Und aus dem gleichen Grund ist es natürlich dann auch nachvollziehbar,
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dass man sich mit Heiliger beschäftigen muss.
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Allein um zu zeigen, dass es auf die Frage,
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die in dieser Ringvorlesung gar nicht erst gestellt wird,
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nämlich wie weiter
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Mit Heidegger, ihr wisst keine philosophisch überzeugende Antwort geben kann.
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Also kann man nur wünschen,
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dass es endlich eine nicht nur politisch aufklärenden,
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sondern auch in der sogenannten Sache seines Denkens kritischen Umgangs mit ihm gibt.
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Friedrich Nietzsche, meine Damen und Herren,
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habe ich schon vor nunmehr 25 Jahren zum philosophischen Klassiker erklärt.
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Und zur Bestätigung meiner Überzeugung habe ich ihn mir
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zu bevorzugten Gegenstand philosophischer Kritik erkogen
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So ließ sich sein dezidierter Immoralismus als eine ästhetische Spielart eines
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radikal-individualistischen Moralismus ausweisen. Und hinter seinem angeblich pluralistischen Perspektivismus kam
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die Gewissheit von einer dominierenden Perspektive des Lebens zum Vorschein,
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von der man nur unter Absehung von der Längs
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zum Allgemeingut gewordenen kritischen Metaphysik behaupten könne,
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diese Perspektive sei gar nicht metaphysisch
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Vom Wählen zur Macht ließ sich zeigen,
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Frau Wagner hat das gerade das Buch erwähnt,
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dass es weder die phänomenale noch die Funktionalen Kriterien erfüllt,
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die sowohl an den Willen wie auch an die Macht und erst recht an beide,
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an den Willen und die Macht zu stellen sind.
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Schließlich konnte erwiesen werden,
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wie nachteilig es ist,
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dass sich Nietzsche weder ernsthaft mit Spinosa noch mit Leibnitz noch
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mit Kant oder Hegel beschäftigt hat und so mit seinem Gut
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gemeinten Denken am Leitfaden des Leibes
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in einem Privileg tredialen Physiologismus des Geistes
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stecken bleibt
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Der noch nicht einmal das plausibel machen kann, was Nietzsche selbst,
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in hellsichtiger Weise kenntlich gemacht hat, nämlich das Bewusstsein,
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wesentlich Mitteilung ist. Damit wäre Denken nichts anderes als das,
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was in sachhaltigem Umgang von sich darin kultivierenden leiblichen Wesen
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möglich und zunehmend auch notwendig wird, im Gang der Kultur.
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Aber im Denken nahm Leitfaden des Leibes, so Itsarathusra ist charakterisiert,
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wird aus dem die Kultur tragenden menschlichen Selbstbewusstsein,
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auch abkürzend sagen, dem Ich, so spricht auch Zara Dustra.
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Nur ein Spielzeug des einzelnen Leibes, von dessen Verbindung,
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mit der allen Sinn und Geist tragen in Verbindung zum Korrespondierenden
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anderen Leib gar keine Rede mehr sein kann.
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So kann es schließlich auch nicht wundern,
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dass Nietzsche trotz seines Produktiven Ausgangs von Kunst und Kultur systematisch bei einem wesentlich,
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an den eigenen Leib und das eigene Schicksal gebundenen Individualismus stehen bleibt,
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der mit partieller Blindheit gegenüber,
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den das ich überhaupt erst ermöglichen,
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den sozialen Bindungen geschlagen ist
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So weiß er, die konstitutiven Leistungen der gemeinsamen Praxis,
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zu der nicht nur die Sprache,
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die Logik und das tradierte Wissen,
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sondern auch die unser kulturelles Dasein,
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tragende Technik gehören, so wenig zu schätzen,
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dass er zu sträflich ahnungslosen Urteilen,
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über das alle Individuen einbinden,
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gesellschaftliche Leben und über die Unverzichtbarkeit des menschlichen Zusammenhangs neigt
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Seine, sich bis in die letzten Schriften,
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wiederholende Abwertung der Humanität ist, ganz abgesehen von ihrer ethischen Fragwürdigkeit,
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ein Konstitutionstheoretisches Versagen ersten Rangs. Nicht zuletzt für einen Denker,
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der noch in einem seiner späten Texte festhält,
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dass es nichts außer dem Ganzen, ein Zitat.
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Nichts außer dem Ganzen gibt. Dieses Versagen in Nietzsches
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philosophischer Konsequenz ist auch deshalb gravierend,
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weil es einen Verrat an seinem eminenten Ausgang bei sich selbst
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Von diesem Ausgangspunkt, meine Damen und Herren, werde ich heute sprechen.
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Und zwar, von dem sich in seinem Werk durchhaltenden Anspruch,
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ein freier Geist zu sein. Die Konzeption des freien Geistes
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ist eine bis zum äußersten geführte Philosophie der individuellen Lebensführung,
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die aber nur unter den Konditionen der Menschheit möglich ist.
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Doch eben die verfehlt Nietzsche nicht erst mit seiner
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dem Wahnsinn bereits nahen Fantasterei
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Von einer großen Politik. Schon vorher gibt er die innerliche
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Verknüpfung von Individualität und Humanität, dadurch preist, dass er glaubt,
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die Menschheit können nicht nur Epochen geschichtlich in zwei Hälften geteilt werden.
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Die Stunde 0 ist eine solche,
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der erträumte und der Zaradustra sollte das nächste Ereignis sein.
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Bis dahin zählt die Menschheit eben nach einer alten Zeitrechnung.
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Dann beginnt die neue Zeitrechnung für die Menschen der Zukunft
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Sondern er teilt sie auch sozial und kulturell in zwei Hälften,
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sodass die eine stumpf und träge am Ufer des Lebens ihre mechanische Arbeit tut,
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während die andere als der wahre Strom des Daseins für die
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fruchtbare Belebung und für die Entfaltung der schöpferischen Kraft des Neuen sorgt.
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Mit dieser zwei Klassentheorie kultureller Produktivität fällt Nietzsche weit hinter alles
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zurück, was die Philosophie seid,
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so kreit
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es ausmacht
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Trotz allem bin ich der Ansicht, dass Nietzsche
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zu den Großen, der philosophischen Überlieferung zu rechnen ist.
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Dabei ist weniger von Belang, dass er sich in vielem
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geirrt hat. Das ist, die wir wissen,
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menschlich, allzu menschlich und tritt bei Großen mit,
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auch in der Form, großer Irrtümer auf.
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Entscheidend für Nietzsches philosophische Genie ist, dass er selbst ist,
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in der Überzeugung es gäbe, letztlich nur das Ganze,
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ich habe das gerade zitiert,
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auch mit dem Ganzen aufnimmt,
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ohne es freilich,
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wie der Freiburger Provinzprophet im Ganzen
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zu verwerfen
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Er denkt an das Ganze. Nietzsche ist weder so gedankenlos,
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noch so vermessen, die menschliche Welt mit ihrer Kultur,
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ihrer Kunst, ihrer Wissenschaft und ihrer Philosophie als Ganzes abzutun.
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Er schenkt ihr vielmehr seine eindringende Aufmerksamkeit,
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um sich immer auch selbst für die Vielfalt der Kräfte und
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Möglichkeiten und sich mit ihnen,
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der sich in Widersprüchen entfalten,
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in Dynamik des Lebens
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zu öffnen
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Mark Dietsche, in manchem auch verkürzt und ungerecht urteilen,
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wie in seiner abschätzigen Bewertung der Metaphysik,
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der Wahrheit oder der Religionen oder auch in seiner Bildungsbürgerlichen Achtlosigkeit gegenüber,
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der alles Verändernden, Dynamik der Technik,
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insbesondere in seiner Zeit, die er überhaupt nicht wahrnimmt,
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obwohl er zur Apotheke geht,
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der Brille trägt und mit dem Zug fährt.
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Er ist dennoch frei, von dem alles philosophieren,
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vernichtenden, ressentiment gegenüber dem Ganzen des Seinenden,
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wenn auch leider nicht immer gegenüber dem Ganzen der Mensch hat
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So vielseitig, Nietzsches, Begabung als Künstler auch ist.
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Er bleibt in seiner diagnostischen Anstrengung, ebenso wie in seiner existenziellen Hingabe,
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an einen visionäres Programm auf kritische Einsichten, bezogen und sucht niemals bloß.
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Es war immer auch, aber niemals bloß mit rhetorischen,
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sondern immer auch mit argumentativen Mitteln zu überzeugen.
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Das gilt sogar für die von ihm geschaffene Kunstfigur des Sarah Tusser,
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der sich die sich in ihren Reden eben der Rationalität bedient,
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die bereits in den mythischen Narrativen der Altorientalischen Religionen bestimmend war und dem Glauben der Juden,
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der Christen und der Moslems bis heute wirksam ist.
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Sehen wir genau hin, dann will Nietzsche die Religionen von ihrem Selbstwiderspruch,
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wie er ihn sieht, der Verachtung des Lebens befreien.
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Es ist der Selbstwiderspruch,
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den Heiliger erneut in die Philosophie hineinträgt,
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mit der Wohlfallenbehauptung Nietzsche
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sei nicht radikal genug
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Leedges Zugehörigkeit zur Philosophie zeigt sich am deutlichsten in seiner Selbstauszeichnung als freier Geist.
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Als freier Geist entfaltet er seine kritischen Injektiven, mit denen
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er aktuell wirksam werden will. Dafür braucht er,
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so sehr er von seiner Singularität überzeugt sein mag,
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andere, die ihn verstehen und seinen Impuls verstärken.
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Somit hält er, wie es zur Tradition des freien Geistes
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gehört,
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Für unumgänglich. Also vermag er nicht nur bei Heraklied und Sokrates anzusetzen,
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sondern weiß auch die Verdienste der Sophestik zu schätzen,
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deren Exponenten er ebenso lebt,
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lobt wie die Anwälte der Neuzeitlichen Aufklärung.
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Damit setzt der freie Geist mit seiner Kritik nicht vor aller Philosophie in einem Zeitalter ein,
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das keiner kennt, sondern mitten in der Philosophie,
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der keine gänzlich andere Richtung,
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wohl aber
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neue Impulse geben will
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Für meinen Plädoyer Nietzsche als freien Geist zu schätzen und zu verehren,
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nehme ich mir jenes Hauptwerk vor,
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dass er nach dem Zerradustra als einziges noch zu vollenden vermochte
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und dass er für so wichtig erachtet,
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ihm einen eigenen Kommentar beizugeben.
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Das Hauptwerk ist jenseits von Gut und Böse und der Kommentar von Nietzsche
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selber so ausgezeichnet, trägt den Titel zur Genialologie der Mora.
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In seinem Hauptwerk,
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in diesem letzten Hauptwerk steht außer Zweifel,
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dass Nietzsche Aufklärer bleibt
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Wenn er dabei Protagonist einer, wie er sagt,
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neuen Aufklärung sein will, gestehe ich ihm diese Selbstaufwertung natürlich gerne zu.
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Doch ich halte mich lieber an das Gut eingeführte Verständnis der alten Aufklärung,
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von der Kant sagen konnte,
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dass sie niemals zu einem Ende kommt,
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auch wenn sich ihre Repräsentanten für noch so aufgeklärt halten.
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Es ist, nebenbei gesagt, auch die Aufklärung,
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zu der man vor allem den Mut benötigt,
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sich seines eigenen Verstandes öffentlich zu bedienen
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Diesen Mut hatte Nietzsche gewiss. Schon das ältere Verständnis von Aufklärung schließt ein,
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dass sie sich auf alle Formen der Unkenntnissen und der Unmündigkeit bezieht.
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Deshalb kann ja, muss sie auch die Affektiven und die leiblichen,
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die sprachlichen, bildlichen und die ästhetischen Bedingungen unseres Verhaltens einbeziehen.
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Warum sollte sie nicht auch nach der Reichweite und der Berechtigung von Wissen und Glauben
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oder nach den Zielen des Handelns oder dem Sinn des Daseins
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fragen?
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Alles dies geschieht in dem Buch
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Das tut sie, doch seit ihren Anfängen im frühen Griechenland schon. Weshalb sie,
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nur weil sie auch nach dem Sinn von Aufklärung fragt,
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plötzlich dialektisch werden soll oder gar wie Georg Lukasch meinte,
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zur Gegenaufklärung überlaufen sollte.
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Das ist mir ein Rätsel. Das zweite Hauptstück von Jenseits
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von Gut und Böse trägt den Titel
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Der freie Geist. Und es fiel nicht schwer,
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es zum Zentralen Kapitel des Buches
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zu erklären
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Derjenige, der jenseits von Gut und Böse stehen können soll,
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genau der einzige, von dem Nietzsche erwartet,
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dass er ins Jenseits von Gut und Böse vorstoßen kann,
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ist der freie Geist.
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Und wenn man die anderen thematisch ausgezeichneten sieben Hauptstücke durchgeht, dann zeigt sich,
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dass der freie Geist tatsächlich so etwas wie das Subjekt der ganzen Abhandlung ist.
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Er ist es, der sich von den Vorurteilen der Philosophen,
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von denen das erste Hauptstück Handel zu lösen hat,
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ihm muss es gelingen, das religiöse Wesen abzulegen,
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Und das ist im dritten Hauptstück geht.
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Und er ist es auch auf denen, die von Nietzsche
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im fünften Hauptstück einmal mehr rekonstruierte Naturgeschichte der Moral zuläuft.
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Mehr noch. Denn der freie Geist,
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wie es bei Nietzsche selbst der Fall ist,
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seinen Lebenslauf als Gelehrter antritt,
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darf er nach den Ausführungen im sechsten Hauptstück nicht lange nur gelehrter bleiben.
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Was er stattdessen zu sein und zu werden hat,
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wird in den drei nachfolgenden Kapiteln,
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in denen Nietzsche sich selbst als freien Geist apostrophiert,
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vor Augen geführt
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Er hat seine, wie Nietzsche immer wieder sagt,
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unsere Tugenden zu entwickeln. Muss hoch über den Völkern und Vaterländern
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stehen und muss damit europäisch denken und schließlich letzter Abschnitt.
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Er muss vornehmen sein. Im Übrigen, meine Damen und Herren,
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bietet das Buch im vierten Hauptstück Sprüche und Zwischenspiele,
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der übermütigsten Art.
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Das sind Vorspiele des freien Geistes in Vorbereitung auf seine großen,
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schweren Aufgaben,
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an denen er nur zu leicht zerbrechen kann
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Mir verrät der Autor,
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dass die großen Epochen unseres Lebens dort liegen,
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wo wir, und da sehen Sie wieder den Mut,
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den die Aufklärung benötigt, wo wir den Mut gewinnen,
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unser Böses, als unser Bestes umzutaufen.
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Man liest auch, dass der freie Geist der Disziplin entspringt,
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mit der er sein Herz hart bindet.
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Er hat als ein Frommer der Erkenntnis zu gelten,
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dessen Frömmigkeit mit dem Kirchenglauben, wie Nietzsche meint, unvereinbar ist.
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Zitiere daher sein tiefer Unverstand gegen die Kirche,
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wie er zum Typus freier Geist gehört,
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als seine Unfreiheit
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Die wiederum kann Nietzsche nicht daran hindern. Auch Jesus zu den freien Geistern zu rechnen,
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der den Weg ins Jenseits der moralischen Werte weist.
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Jesus, ich zitiere, Jesus sagt zu seinen Juden,
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das Gesetz war für Knechte, liebt Gott,
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wie ich ihn liebe, als sein Sohn.
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Was geht uns Söhne Gottes, die Moral an?
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Zitat Ende. Das Buch schließt mit einem lyrischen Nachgesang aus hohen Bergen,
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darin stilisiert sich der Sänger als einsam,
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suchender den seine ganz auf das Grundstürzend, neugerichtete Jagd,
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ins Jenseits aller bisherigen Werte lockt und von allem entfernt,
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was ihm früher vertraut und teuer war.
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Am Ende ist er mit seinem Alles-Durchborenen,
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nur auf das höchste gerichteten Pfeil, zum Feind,
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alles Gewohnten geworden, der sich allen Freunden und sich selbst entfremdet.
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Er wohnt, wo niemand wohnt, zwischen fernstem Eis und Felsenreich.
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Sie merken, dass das alles Zitate sind,
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so könnte ich gar nicht formulieren.
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In Sternen nah und dennoch am Abgrund
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Hier wird es zur Erlebten und Erlittenen Gewissheit nur,
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wer sich wandelt, bleibt mir verwandt.
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Diese sich nach Adlerner Selbstoffenbarung einstellende Einsicht lässt dem Sänger
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keine andere Wahl, als auf neue Freunde zu drängen.
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Doch vor ist, vorerst ist nur mit einem Freund zu rechnen.
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Das ist der von Nietzsche selbst geschaffene Zerratustra.
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Mit dem Auftritt dieses Freundes ist die Erwartung verbunden,
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die gefahrvolle Jagd ist einsam suchenden,
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komme in der abgeklärten Ruhe jenes Augenblicks zum Stillstand,
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in dem auch die Sonne am höchsten steht
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Im Lebensmittag, wie Nietzsche, die stillgestellte Zeit in
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der Mitte des Tages nennen, ist Hochzeit.
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Ich könnte auch sagen, Hochzeit. Für Licht und Finsternis.
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Nach größten Abenteuern der Einsamkeit bietet sie den Ausblick auf die Zukunft des einzigen freien Geistes,
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den das lyrische Ich in der Sprache, das Gesicht,
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Gedichts anerkennen kann, nämlich sich selbst, den Autor oder den Sänger.
00:23:16
Doch in diesem Moment, in diesem Moment, ist er nicht mehr allein.
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Um Mittag war es, da wurde eins zu bei.
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Der große Mittag bringt die Verdoppelung, das im existenziellen Kampf verwandelten Selbst des freien Geistes.
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Im Schritt, der Schritt ins Jenseits von Gut und Böse
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wird also durch die Selbstüberwindung des Individuums vollzogen,
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dass sich in einem riskanten Lebensakt als Individuum neu zu erschaffen sucht.
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Wenn es vornehmlich in der Paarung mit Zerratustra so erscheint,
00:23:53
als wäre die Individualität selbst überwunden,
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so würde damit übersehen, dass jedes Individuum seinesgleichen,
00:24:01
also ein anderes Individuum braucht,
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um sich
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seine Eigenart bewusst zu werden
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Es kommt zwar nicht umhin,
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sich auch in sich selbst als wie Nietzscher an anderer Stelle sagt,
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die Video, um zu erfahren,
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es kann mit sich hadern und mit sich zur Rate gehen,
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aber im Entschluss zur Tat präsentiert es sich ganz von selbst wiederum,
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als individu.
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Daran ist sie zumindest gedachte Gegenwart von anderen seiner selbst essentiell.
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So viel Einsamkeit, der auch benötigen mag,
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der freie Geist ist auch seinesgleichen,
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auf andere freie Geiste angewiesen und ist mit ihnen
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in einem Prozess wechselseitiger Aufklärung verbunden
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Er betreibt eine radikale Selbstaufklärung im Bewusstsein, der Gegenwart anderer.
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Und man darf zumindest Nietzsches Zerzerratustra so verstehen,
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dass ihm vornehmlich daran liegt, durch seine Lehre und sein Beispiel in jedem,
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in jedem, der ihn versteht, ein Ball,
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ein Bestreben nach radikaler Selbstaufklärung in Gang zu setzen.
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Diese Selbstüberwindung, in der ein freier Geist sich selbst erringt
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oder in der ein freier Geist erst zu dem wird,
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was ihm diesen Titel auch tatsächlich ermöglicht,
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kann nur Im Kampf mit sich selbst erfolgen.
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Zum freien Geist kann nur werden, wer seine Individualität auf sich nimmt,
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wer sich zum Exempel steigert und in seiner einsamen Größe anderen,
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anderen ein Beispiel gibt. Allein um Freunde zu werben,
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gar um sie zu buhlen, wäre schon zu viel.
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Man bleibt auf sich selbst bezogen und wirkt dadurch auf andere.
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Der Nachtgesang, und damit ist die Schilderung des Buches beendet,
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der Nachgesang ist das Metaproem,
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auf die Bildungsgeschichte des freien Geistes
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Der sich radikal von seinem Glauben und Wissen von seinen Werten
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und Einstellungen von seinen Freunden und von sich selber löst,
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um als einen in seiner Einsamkeit, neu geborener Mensch,
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zusammen mit seinem aus sich herausgeschaffenen Alter, Ego eines anderen Menschen,
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zu einer neuen sozialen und historischen Wirklichkeit und Wirksamkeit zu finden.
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Eine unter dem Anspruch einer großen Aufgabe derart mit sich und seinesgleichen Ringender,
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dabei auf eigene Weise zu sich selbst gelangender und somit wahrhaft frei gewordener Mensch,
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hat auch genügend So, jedenfalls glaubt Nietzsche,
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soziale Kompetenz, um Gesetzgeber zu sein.
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Wer Nietzsche in der Genealogie,
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den freien Geist als souveränes Individuum bezeichnet,
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kann man aus der Analyse von jenseits wissen,
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dass der Begriff der Souveränität selbst in der Konzentration auf den Einzelnen seine politische Bedeutung nicht verliert.
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Das alles Verbindende Thema, das sollte dieser Blick auf jenseits
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von Gut und Böse zeigen,
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ist also der freie Geist
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In seiner Herkunft, seinem Ansehen, seiner Aufgabe
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und in der durch ihn möglichen Zukunft. Während menschliches,
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allzu menschliches nach dem Untertitel ein Buch für freie Geister ist und
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morgen geröte und fröhliche Wissenschaft zunehmend das offene und heitere des freien Geistes ausströmen sollen,
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während sich Nietzsche im Zerratustra an eine mit größter literarischer Freiheit komponierten Mythos eines wiederkehrenden Propheten des freien Geistes versucht,
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der die Zeit kommen sieht,
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gekommen sieht,
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den zur Erfahrung ihrer Freiheit gelangenden Individuen,
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auch eine eigene
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jeweils von ihnen selbst gefüllte Zukunft zu eröffnen
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Ist jenseits die Programmbeschrift des Freien Geistes Parexellance.
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In historischer Rekonstruktion und zeitkritischer Diagnose mit dem Vorsatz rigoroser,
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der Selbstdisziplin und dem Gestus ultimativer Prognose wird entworfen,
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wie der freie Geist zu verstehen ist,
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was er von sich zu fordern hat und was jene,
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die seinem extremen Selbstanspruch nicht gewachsen sind,
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dann mit ihm zusammen von ihm
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zu erwachen haben
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Nietzsche, meine Damen und Herren,
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hat sich bereits als Schüler mit dem Freiheitsproblem in einer Weise App befasst,
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die seine spätere Kritik am abstrakten Bekenntnis zur Freiheit und seine
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empathische Inanspruchnahme der individuellen Freiheit in den produktiven Akten des Lebens vorweg nimmt.
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Also kann es nicht wundern,
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dass in der Zeit seiner Arbeit an der Geburt der Tragödie
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eine ergänzende Schrift, also 1872 eine ergänzende Schrift,
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unter dem Titel Die Tragödie und die Freigeister plant.
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Also hier taucht dieser Begriff
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das erste Mal bei ihm auf
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Mit Blick auf die höchst ambivalente Rolle, die Nietzsche,
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in der publizierten Schrift, dem Exemplarischen, also publizierte Schrift,
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Geburt der Tragödie, dem Exemplarischen Freigeist,
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Sokrates zuschreibt, kann man nur bedauern,
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dass er die geplante Betrachtung über die ethisch-politische Bedeutung des musikalischen Dramas,
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so war der geplante Untertitel der geplanten Schrift, nicht ausgearbeitet hat.
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Doch man darf davon ausgehen,
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dass er in seiner nie nachlassenden Bewunderung und in seiner Gleichwohl
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sich steigernden Kritik an Sokrates genügend seiner tiefen Ambivalenz gegenüber diesem Typus,
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dass die Philosophie begründenden Freigeistes hinterlassen hat.
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Das Motiv dazu hat er selbst in einer aufschlussreichen Notiz aus
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dem Jahre 1874 offengelegt und ich zitiere, Sokrates,
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um es nur zu bekennen, ist mir so nahe,
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dass ich fast immer einen Kampf mit dem Kämpfe.
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Sokrates ist mir so nahe,
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dass ich fast immer einen Kampf mit dem Kämpfe In der Einstellung
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des freien Geistes zur Philosophie bleibt diese Konstellation von existenzieller Nähe und demonstrativer Abwehr,
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auch in jenseits bis hin zur Götzendämmerung erhalten.
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Doch die Ambivalenz kommt nicht erst mit Nietzsches Verhältnis zu Sokrates
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in den Begriff des freien Geistes hinein.
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Sie gehört zu dem Begriff freier Geist,
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spätestens seit der Apostel Paulus ihn als eine Gabe Gottes
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ausgezeichnet hat
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Denn dieses Geschenk kann sich stärker als alle anderen göttlichen Gaben,
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jederzeit auch gegen das Richten,
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der es gegen den richten, der es gemacht hat.
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Es hat bereits die Vertreibung aus dem Paradies zur Folge gehabt und seitdem
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eine nicht abreißende Reihe von Verstößen und Versuchungen nach sich gezogen,
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die spätestens dort, wo Menschen sich als Stellvertreter Gottes aufspielen,
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auch zu gesellschaftlichen Konflikten führen muss.
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So war es beim ersten Terminologisch statierbaren Auftritt des freien Geistes
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Als Spiritus, Libertatis im 13. Jahrhundert.
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Der Begriff war eine Selbstauszeichnung, vornehmlich Dominikanischer Ordensleute,
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die ihre weitgehend individuell ausgestattete Beziehung oder ausgestaltete Beziehung zum Göttlichen
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von den institutionellen Hierarchien der Kirche freizuhalten suchten.
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Sie konnten sich auf das Paulus-Wort im zweiten Brief an die
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Korinther berufen, wo aber der Geist des Herrn ist,
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da ist Freiheit
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Gerieten aber alsbald natürlich, wie sich denken lässt, unter Heresie-Verdacht.
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Er wurde durch den mit der Prüfung beauftragten Albertus Magnus
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1270 formell bestätigt. Man durfte sie daher abwertend,
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Adamiten nennen, was so viel wie wilde, naive,
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noch nicht erzogene,
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vielleicht auch ein bisschen nackte Kinder Gottes bedeutet,
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ihren Geist schamlos und ohne den Geboten im Gehorsam gegenüber
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den Autoritäten der Kirche
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Die vornehmlich zur Bewegung der Bedienen gerechneten Anhänger, der Spiritus,
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liebe Ertates, wurden 1311 auf dem Konzil von Vienne als Ketzer verurteilt.
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Das Verbot wirkte nachhaltig,
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bereits 200 Jahre später hatten sich ihre Spuren im Dunkeln der Geschichte verloren,
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philosophische Aufmerksamkeit finden sie heute eigentlich nur,
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wenn es um die Aufklärung des Prozesses gegen einen der produktivsten religiösen Denker geht,
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den die Philosophie nach Platon, Blotin, Augustinus und Anselm hervorgebracht hat.
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So nimmt man an, dass Meister Eckhardt, von dem
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ich ich hier kurz gesprochen habe, sich des Vorwurfs zu erwehren hatte.
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Er gehöre der Vereinigung der Spiritie, lieber Tati, an.
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Wäre der Prozess öffentlich geführt worden, wozu es ja nicht gekommen ist,
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wäre vielleicht ein ähnlich bewegendes Exempel für die existenzielle Kraft des Glaubens möglich gewesen,
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wie es uns Platon in seinem Bericht über den Prozess gegen Sokrates,
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für die existenzielle Eigenständigkeit eines freien Geistes hinterlassen hat.
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Es gibt keine Hinweise darauf, dass Nietzsche von dieser Vorgeschichte
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seines Zentralbegriffs wusste
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Ihm war offenbar nicht bekannt,
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dass die bedeutendste Schrift aus dem Umfeld der Brüder und Schwestern
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vom Freien Geist des Amoralismus und der Kirchenfeindlichkeit verdächtigt worden waren.
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Es handelt sich um das seit der Wende vom 13. zum
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14. Jahrhundert verbreitete Buch, der Spiegel, der einfachen Seelen.
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Lemirua, de Sablesam, der bereits 1310 wegen Ketzerei verbrannten Mystikerin,
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Margarit Porret. Nach ihrer Ansicht kam die kann die,
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und mit Nietzschützen sprechen, kindlich, naive Seele,
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also der einfachen Seele, gar nichts Böses tun.
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Sie braucht keine Vorschriften zu beachten,
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weil der ihnen ihr wirksame Wille Gottes von sich aus dafür sorgt,
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dass sie die Seele das Richtige tut. Damit steht sie,
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und erneut mit Nietzsche zu sprechen, jenseits,
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der von den Menschen dekretierten Unterscheidungen zwischen Gut und Böse,
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sie ist, um es mit Zerra Tustra zu sagen,
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weder Kamel,
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noch Löwe,
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sondern Kind
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Der Geist der Freiheit genügt, um den Einzelnen aus der
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alltäglichen Gegenwart herauszuheben und ihnen das tun zu lassen,
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was der einfachen Seele zum Aufschwung verhilft.
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Nietzsche, so scheint es, knüpft allein an die moderne Tradition der Rede,
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vom Freigeist an. Sie kam im 18. Jahrhundert,
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als Übersetzung des Free Spirit Tolance und der Esprilibre
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in die populäre deutsche Aufklärungsliteratur und verwandt in Verwandten,
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Ausdrücken,
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auch in anderen europäischen Sprachen
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Aus dem Englischen wirkt es über Hatschusson You und Adam Smith
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verstärkend auf deutsche Autoren, die sich als weltoffen und pragmatisch
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verstanden und sowohl der Religion wie auch den überlieferten Sitten kritisch gegenüberstanden.
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Im allgemeinen Urteil galten die Freigeister als Agnostiker gelegentlich auch als atheistisch und wurden gewiss,
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gewiss zu Unrecht, als Amoralisch, beargwind.
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Es muss daher nicht verwundern, dass der Freigeist,
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der sich ersten der sich, verzeihen Sie,
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in der sich ernster verstehenden Literatur des 18. Jahrhunderts,
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nicht immer positiv gewertet wird.
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1747 verspottet Gellart einen Freigeist als jemanden,
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der sich zeitlebens über die Religion entrüstet, im Sterben,
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jedoch wieder gläubig wird.
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Lessing zeigt in seinem Lustspiel der Freigeist von 1749 einen lächerlichen Prinzipienreiter,
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der sich in seinem Starsinn nicht zu seiner Liebe bekennt und
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am Ende erst mit Hilfe eines zuvor verächtlich gemachten geistlichen
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sein Ziel doch erreicht
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Kant bezeichnet in seinem von Nietzsche offenbar nicht beachteten Aufsatz,
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was heißt sich im Denken, orientieren die Freigeisterei als den Grundsatz,
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gar keine Pflicht mehr anzuerkennen. Grundsatz. Der Wichtigste,
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der Witzigste, das verzeihen Sie, der Wichts,
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witzige Einwand kann es, es war gegen seine Zeitgenossen gerichtet,
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sollte aber bei der Prüfung von Nietzsches im Moralismus nicht vergessen werden.
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Und dies nicht nur,
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weil im Begriff der Orientierung erkannt,
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die auch in unserem Verständnis Leiblichkeit und Vernunft
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zu einer mit der Welt verbundenen Lebensleistung verknüpft sind
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Ganz lakonischer Kommentar zur Freigeist 3 lautet nämlich, ich zitiere.
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Und so zerstört Freiheit im Denken, wenn sie sogar unabhängig
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von Gesetzen der Vernunft verfahren will, endlich sich selbst.
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Nur so lange Nietzsche an den Tugenden festhält,
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das ist sein eigener Begriff,
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von denen er im Zerratustra und ihm jenseits immer wieder spricht,
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kann er sich dieser von Kant diagnostizierten Selbstzerstörung entziehen
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In Nietzsches Jahrhundert galten die 1804 anonym erschienenen und
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vermutlich von Ernst August, Friedrich Klingemann stammenden,
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Nachtwachen des Bonnaventura als eine Art Klassiker, frei geistlicher Gesinnung.
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Sie haben auf sich Seen erregt, man kann aber nicht
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sagen, dass sie in hohem Ansehen standen.
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Deshalb war Nietzsches Entscheidung für den Begriff des freien Geistes
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durchaus den Charakter einer Provokation der Gebildeten,
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auf die er als Leser seiner Schriften
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hoffen musste
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Andererseits haben die von ihm ihn jenseits aufgezählt,
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Synonyme wie Freidenker, lieber Rettpensur und Libery,
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Pensatori bei den fortschrittlich gesonnenen liberalen Geistern seines Zeitalters durchaus einen guten Klang.
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Ich überschlage einiges und setze noch einmal ein beim zweiten Hauptstück des freien Geistes,
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in jenseits von Gut und Böse,
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und will nur darauf hinweisen,
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dass dies eine erklärte Selbstpräsentation,
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eines freien Geistes ist,
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der sich eben selbst so versteht
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Ein Autor, der sich selbst als einen freien Geist begreift,
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versucht, dem Leser in diesem Passus nahe zu bringen,
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was ein freier Geist ist und wie er sich versteht.
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Das geschieht zum einen dadurch, dass er in exemplarischer Form erläutert,
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woran man einen freien Geist erkennt und worin er sich vom Unfreien Geist oder vom Geistlosen,
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von geistlosen Naturen oder wie immer man das nennen will, unterscheidet.
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Die Schwierigkeit, einen Gegentypus zum freien Geist,
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namhaft zu machen, zeigt bereits,
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dass eine treffsichere Beschreibung des freien Geistes keine leichte Aufgabe ist.
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Zum anderen ist es sich der Autor schuldig,
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in seinem Schreiben und Denken selbst als ein Exemplar des freien Geistes erkennbar zu werden.
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Nietzsche führt sich selbst als vorzüglichstes,
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praktisches Beispiel seiner theoretischen Ausführungen vor und es kann kein Zweifel sein,
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dass sie dies zumindest in dieser Schrift auch überzeugend gelingt.
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Es ist somit, und diesen Punkt möchte ich nur betonen,
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eine existenzielle Form der literarischen Produktion,
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die wir als Leser
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vor uns haben
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Der Autor spricht zwar kundig,
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belehren und mit hohem Anspruch über eine Vielzahl bedeutsamer Themen,
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doch die Art, in der er dies tut,
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ernsthaft und witzig, verächtlich und bewundernd ironisch und feierlich hochgebildet und geistvoll,
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manchmal auch mit demagogischer Attitüde, doch in alledem mit größter,
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persönlicher Anteilnahme, macht klar,
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dass er sich nicht nur mit seinen Ansichten,
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sondern eben auch mit seinem Selbstverständnis exponiert.
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Darin ist Nietzsche ein Protagonist der Existenzphilosophie,
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die ein halbes Jahrhundert nach ihm folgt
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Nietzsche spricht nicht erst in Ecci Homo über sich selbst.
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Auch in seinen Vorreden gibt er sich mit seinen persönlichen Erfahrungen und Erwartungen zu erkennen.
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Im zweiten Hauptstück über den freien Geist führt er sich in
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seiner von ihm selbst als wesentlich angesehenen Aufgabe weitestgehend sogar
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selbst ohne Maskenspiel, was selten ist vor.
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Der freie Geist mag zwar die Masken lieben für Verführungen offen sein,
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als das nicht festgestellte Tier,
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den Abenteuermut benötigen und die Verwandlung ja die Umkehrung anstreben.
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Er sucht die Einsamkeit nicht etwa, weil er seine Schwächen
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verbergen will, sondern um seine Stärken zu erproben.
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Ja, so groß sein Verlangen sein mag,
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sich in der Selbstüberwindung zu verwandeln, der Freie Geist muss gleichwohl,
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Zitat, wissen, sich zu bewahren.
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Darin sind Nietzsche, nochmal Zitat, die stärkste Probe der Unabhängigkeit,
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also gibt es auch für ihn eine begriffliche Klammer,
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die seine ganze Existenz umfasst
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Dass hier Unstimmigkeiten, wenn nicht gar Widersprüche lauern, kann nicht verborgen bleiben.
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Aber offenkundig ist, dass Nietzsche sich darstellen in der Darstellung
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selbst erkannt und als Ausnahme anerkannt sein möchte.
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Und somit, wie er immer wieder sagt, nicht verwechselt
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werden möchte. So liegt in allem Pathos der Verwandlung,
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auch eine gewisse Kontinuität. Das leuchtet allein schon deshalb ein,
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weil anders der freie Geist gar nicht frei und wohl auch
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nicht immer geistig bleiben könnte
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Man könnte von Selbstüberwindung gar nicht sprechen, wenn ihnen ihr tatsächlich alles anders würde.
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Deshalb muss sowohl im Geist wie auch in seiner zum festen
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Merkmal gewordenen Liberalität ein Moment sich steigernder Beharrlichkeit wirksam sein.
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Wie anders könnte derart affirmativ von unseren Tugenden,
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unserer Redlichkeit, von der umfänglichsten Verantwortlichkeit,
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von der Ehrerbietung gegenüber allem strengen und harten,
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von der Vornehmenheit oder gar davon die Rede sein,
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dass die vornehme Seele ehrfurcht vor sich selber habe
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Wie wichtig dieses von Nietzsche in der Regel überspielte Kontinuitätsmoment für
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sein Denken ist, tritt er vor,
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wenn er die Umkehrung zur vorrangigen methodologischen Aufgabe des freien Geistes erklärt.
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Wir umgekehrten, so ruft er der menschlichen Gattung zu,
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haben dafür zu sorgen,
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die Gefährlichkeit der eigenen Lage ins Ungeheure wachsen zu lassen,
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um mit der Erfindungs- und Verstellungskraft das Spezifikum des Geistes
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zu steigern
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Die Umkehrung, die sich auf alles Verhalten eines freien Geistes der Strecke
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und somit auch seine innere Einstellung nicht unverändert lassen kann,
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muss dennoch etwas unterstellen, was im Wandel dasselbe bleibt.
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Etwas, das sich ebenso treu sein kann,
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wie Zerra Tuster es verlangt, wenn er dazu auffordert,
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der Erde treu zu bleiben.
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Dazu ist es gewiss nicht nötig, eine metaphysisch gefasste Substanz
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zu unterstellen. Die Philosophie hat sich davon seit Kans Kritik
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der Paralogismen der Vernunft
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längst verabschiedet
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Aber ob Nietzsche, auf die Annahme eines zumindest Personalverstandenen,
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zumindest Personalverstandenen, Identität des Individuums verzichten kann, muss bezweifelt werden.
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Schließlich erwartet er, dass der freie Geist, ich zitiere,
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unter langem Druck und Zwang sich ins Feine und Verwegene entwickelt,
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weil sein Lebenswille bis zum unbedingten Machtwillen gesteigert werden müsse.
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Was hier den allgemeinen Druck und Zwang erzeugt,
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was überhaupt verlangt,
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dass etwas entfaltet und gesteigert werden muss,
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könnten wir mit Blick auf eine andere Stelle als das Plurale
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gegeneinander der Willen zur Macht bezeichnen
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Aber beim freien Geist kann man die Vielfalt dagegen und miteinander wirkenden Mächte,
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nur bis zur personalen Einheit des Individuums, herunterdividieren.
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Hier bleibt ein Selbst, das seinesgleichen hat, von dem
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es sich durch den Gebrauch seines Geistes und seiner Freiheit unterscheidet.
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Es gibt also, und das ist aus meiner Sicht wichtige Schlussfolgerung,
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es gibt also auch nach Nietzsche eine erkennbare Lebensform der
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individuellen Existenz
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Sie ist es, der alles, was immer empfunden,
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wahrgenommen gefühlt und erkannt werden kann, etwas bedeutet.
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Das geht bis hin zur Welt, die uns etwas angeht.
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So ist diese Formel, Formel bei Nietzsche immer wieder zu finden.
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Bis zur Welt, die uns etwas angeht.
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Und die Existenz des Individuums des Ausgangs- und Endpunkt dieser Bedeutung.
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Nietzsche wäre von einem subjektivistischen Skeptiker oder von einem entschiedenen Solipsisten vom Schlagestirners nicht zu unterscheiden,
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wenn er an den alle Bedeutungen schürzenden Knoten des Ichs Nur,
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dass allen äußeren Eindrücken und jedem inneren Impuls ausgelieferte Willkür und Stimmung selbst gesetzt hätte.
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Es bleibt etwas Wesentliches. Nietzsche rückt vielmehr ein,
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sich in zahllosen Aktivitäten, Selbstbestimmendes, sich auf selbstgesetzte Zwecke ausrichtendes Selbst,
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als eine zwar vom Leib und von äußeren Impulsen,
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abhängige, darauf zugleich auch angewiesene Steuerungsinstanz,
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in den Ausgangspunkt und lässt keine Gelegenheit aus,
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auf deren Plastizität
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zu verweisen
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Es kann aber auch kein Zweifel sein,
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dass Nietzsche diesem existenziellen Zentrum eigene Impulse und Initiativen zutraut,
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denen er seine Richtung und ein Ziel vorgeben möchte.
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Genau besehen ist es dies unablässig, über sich hinausgehende Zentrum,
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dem Nietzsche den Namen des freien Geistes gibt.
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Darin ist er nicht nur um einiges pointierter als jene,
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die nur vom Ich oder vom Selbst sprechen.
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Er ist auch stärker festgelegt als jene Philosophen, die,
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wie etwa platon oder Augustinus, Montennio oder Leiblitz,
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Voltaire oder Jugendkante oder Hegel, dem selbst nur Geistigkeit und Freiheit zusprechen,
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ohne es auf ein Programm grenzenloser Selbstbestimmung zu verpflichten.
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Oder grenzenloser Selbstüberwindung zu verpflichten. Doch wie dem auch sei,
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in seinem Selbstverständnis als freier Geist,
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bleibt Dietsche der philosophischen Tradition näher,
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als es philosophischen Laien gegenüber zu erkennen ist oder von
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diesen Laien selbst bei der Lektüre Nietzsches.
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Nachvollzogen werden kann
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Ich komme zum Schluss. Es ist meine Damen und Herren,
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offensichtlich, das Nietzsche in seinem Spätwerk,
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große und weitreichende Perspektiven für die Zukunft des Menschen zu entwickeln sucht.
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Viele sind in jenseits von Gut und Böse angesprochen,
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wenn er den freien Geist mit seinen Stärken und Tugenden beschreibt.
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Aber vieles entsetzt und befremdet uns,
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wenn er allgemein etwa gegen die mittelmäßigkeit polymisiert,
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als wüssten wir nicht selbst,
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dass wir gerade in unseren höchsten Ansprüchen immer auch mittelmäßig
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sein müssen
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Wenn er die Humanität karikiert und das Menschenrecht perhorresziert, verhöhnt.
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Auch seine Versuche den unbedingten Machtwellen zur einzigen Triebkraft der Geschichte
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zu machen und dabei erneut bereit zu sein scheiden,
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Gewaltsamkeit und Sklaverei, wie in seinen frühesten Schriften,
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in Kauf zu nehmen, haben nichts,
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was die von ihm avisierte Zukunft attraktiv erscheinen lassen könnte.
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Im Gegenteil,
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hier muss Nietzsche mit der gleichen Entschiedenheit widersprochen werden,
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mit der er glaubte,
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seiner Zeit und seiner Zunft
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entgegentreten zu müssen
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Diesen Widerspruch, gegen Nietzsche und gegen Partien seines Werkes,
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darf man nicht den Gegnern Nietzsches überlassen.
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Gerade von seinen Bewunderern ist der Einspruch zu fordern,
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wann immer sie auf einen Gegensatz zwischen Nietzsches Thesen und ihren eigenen Überzeugungen aufmerksam werden.
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Das sind sie nicht zuletzt dem existenziellen Ernst dieses Denkers schuldig.
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Der freie Geist beginnt seinen Lauf als Kritiker.
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Man wird ihm nur gerecht, wenn man ihm selbst
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mit freimütiger Kritik begegnet
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Allein hier liegt ein Unterschied zu heiliger, von dem wir
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nur abfällige Urteile über andere kennen. Es würde den Rahmen dieser Vorlesung sprengen,
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auch nur die im Interesse Nietzsches, liegende Kritik zu äußern,
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von der, die man aus der Sicht des heutigen Wissens über den Menschen und seine Welt äußern kann, dann zu schweigen.
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Aber in Kenntnis vieler naheliegender Einwände sei abschließend betont,
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dass Nietzsche seine Philosophie der Zukunft Auch insofern aus der Sicht des freien Geistes entwirft,
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als er sich die Freiheit nimmt, die Menschheit aus der Perspektive,
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jener von ihm sogenannten, höchsten Exemplare zu denken.
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In der richtigen Überzeugung, dass die menschliche Kultur von den Leistungen lebt,
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in denen sie sich selbst überbietet, fragt Nische danach,
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wie die Steigerung der besten Kräfte möglich ist.
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Und eben dies ist die Perspektive einer Aufklärung,
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in welche der Mensch mit seinen besten Kräften über den Einmal erreichten Stand seiner Entwicklung hinauszukommen sucht,
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nicht, um sich von sich selbst zu entfernen,
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sondern um sich selbst näher zu sein.
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Aber auch nicht, um damit primär andere abzuwerten oder gar abzuwirtschaften,
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sondern um die Aufgabe zu charakterisieren, um die es ihm geht.
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Wenn Nietzsche sich dabei aber zu nahe kommt,
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sodass er den Humanen Abstand verliert und vergisst,
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wie sehr alles reden über das Ich aus der Perspektive,
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das ja immer auch Prüfenden mich und insofern auch aus der kritisch zweifelnden Rollen des anderen seiner Selbsterfolg
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Dann beruft er sich zwar noch auf die Ehrfurcht vor sich,
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ich habe das gerade zitiert,
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auf die Liebe zu sich und auf die unbedingte Freiheit gegen sich,
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aber er schiebt das beiseite, was ihm alles dies,
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überhaupt erst ermöglicht.
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Sein Denken, seine Sprache, seine Bildung,
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seine Kultur, seine mögliche Leserschaft nicht zu vergessen,
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auch seine Hörerschaft von Vorträgen über ihn und mit ihnen
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die Bedingung,
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aus der alles erlex,
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nämlich die Menschheit
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Mindestens auf die Menschheit trifft Nietzsches Einsicht zu,
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dass es nichts gibt, außer diesem Ganzen.
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Es ist weder empirisch noch logisch möglich,
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den Begriff eines einzelnen Menschen zu fassen,
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wenn der Reale und der Kategoriale Bezug auf die Menschheit fehlen.
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Zwar haben die Selbsterhaltungstrihaben der Selbsterhaltungstrieb sowie die Raub- und Mordlust der Menschen
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unablässig dazu geführt, ihresgleichen in Gruppen oder als Individuen zu vernichten.
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Dazu haben die unterschiedlichsten Argumente herhalten müssen,
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die den Kampfplatz des Lebens auf immer neue Weise
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in Freunde und Feinde aufteilt
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Aber wenn jemand wie Nietzsche es noch an der zitierten Stelle tut,
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daran geht die höchsten Ziele des Verstehens. Ja,
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dass sich mit Notwendigkeit,
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Verstehens der Tugenden und der Rechtschaffenheit, des Ernstes,
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der Ehrfurcht, der Liebe und der unbedingten Freiheit
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gegenüber sich selbst beschwört und zugleich erklärt ihm Liege nur an denen,
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die das richtig verstehen,
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nämlich meine Leser,
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meine rechten Leser
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Meine vorherbestimmten Leser, alles noch, Zitate,
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um dann die Frage hinzuzufügen, was liegt am Rest?
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Unter dem er, wie der nächste Satz zeigt,
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nichts anderes versteht, als die Menschheit.
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Der Rest ist bloß, die Menschheit.
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Dann ist die Grenze des Sagbaren, der überhaupt,
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das überhaupt verständlichen und damit auch des Begründens,
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des Denkens und des Philosophierens
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definitiv überschritten
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Dann ist Nietzsche an dem Punkt angelangt, wo ihm niemand
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mehr folgen kann. Apriol könnte ich jetzt kantianisch sagen.
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Apriori, niemand mehr folgen kann. Hier kann man die Frage,
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wie weiter mit, nur noch einmal. Und dann,
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oder, man kann sie noch nicht einmal sinnvoll stellen.
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Wie weiter mit einem Liedsche, der die Menschheit zum Rest erklärt,
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auf den es gar nicht ankommt. Deshalb kann man ihm nur so lange eine philosophische Zukunft zugestehen,
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als er den freien Geist, wieso grütt es ein Cicero,
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wie Meister Eckhardt und Montanye, wie Spinosa, Voltaire und Kant,
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als das eigentlich Belebende und begeisternde Moment der Menschheit begreifen kann und wo das nicht mehr passiert,
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wo das aufgekündigt wird, da kann man nur hoffen,
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dass es auch mit Nietzsche nicht weitergeht.
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Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit