Care-Work als prekäre Lohnarbeit - Überlegungen zur Handlungsfähigkeit der Beschäftigten und der Zukunft des Sozialstaats - Iris Nowak - Universität Hamburg
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Care-Work als prekäre Lohnarbeit - Überlegungen zur Handlungsfähigkeit der Beschäftigten und der Zukunft des Sozialstaats
Dass eine emanzipatorische Gesellschaftsentwicklung einen gut ausgebauten öffentlicher Sektor braucht, da sind sich linke Analysen relativ einig. Allerdings wird die Frage nach diesem Sektor meist darauf reduziert, wie dieser finanzierbar wäre. Konkretere Analysen zu sozialen Konflikten, Arbeitskämpfen und Interessehandeln beziehen sich dann – den Traditionen der Arbeitssoziologie und –bewegung folgend – meist auf den industriellen Sektor. Tatsächlich aber werden öffentliche Güter nur dann durchsetzbar und demokratisch gestaltbar sein, wenn sich sowohl jene, die heute schon öffentlichen Einrichtungen arbeiten, als auch Nutzer/innen in Konflikte um die Gestaltung und die Zukunft öffentlicher Güter einmischen und sich den Folgen immer weiterer Sozialkürzungen widersetzen.
In diesem Vortrag soll es um die Handlungsfähigkeit von Beschäftigten gehen, die in bezahlter Form Care-Arbeit leisten bzw. die Sorge für andere organisieren. Es wird am Beispiel von Altenpflege gezeigt, was das spezifische Moment dieser Arbeit ist und was dies für (betriebliche) Sorgebeziehungen bedeutet. Gezeigt werden Widersprüche und Leerstellen im gegenwärtigen Forschungsstand, der zugleich auf eine gewisse Ratlosigkeit hinsichtlich angemessener politischer Strategien hinweist: Forschungen zu Altenpflege bezieht sich nahezu ausschließlich auf Analysen der direkten Interaktionen zwischen Pflegekräfte und Pflegebedürftigen, nicht auf betriebliche Machtbeziehungen. Über diese gibt es aber einige Erkenntnisse in solchen Forschungen, die Arbeitskämpfe und Interessehandeln in anderen Dienstleistungsbereichen untersuchen. Zudem gibt es konkrete gewerkschaftliche Versuche der politischen Organisierung von Beschäftigten, die allerdings traditionell sehr wenig Zulauf haben.
Der Vortrag macht deutlich, wie sich die verschiedenen Perspektiven zusammendenken lassen und welche Fragen und Perspektiven für kollektives Handeln hieraus folgen könnte.
---Am Ende der Fahnenstange? Gegenwart und Zukunft des Wohlfahrtsstaates
Das Siegfried-Landshut-Colloquium stellt sich in die Tradition des Politikwissenschaftlers Siegfried Landshut (1897-1968). Er war vor 1933 Assistent des Hamburger Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlers Eduard Heimann. Von den Nazis ins Exil gezwungen, kehrte er 1951 an die Hamburger Universität zurück, wo er einen der ersten bundesrepublikanischen Lehrstühle für Politikwissenschaft begründete.
Landshut verstand Politik nicht als Machterhalt oder das, was Politiker machen, sondern als das konkrete Handeln einer Aktivbürgerschaft in einem auf das Gemeinwohl orientierten Gemeinwesen. In der Wissenschaft vertrat er einen interdisziplinären Ansatz unter Bezugnahme auf Politische Ökonomie, Soziologie und Geschichtswissenschaft. In diesen Fächern galt seine Kritik dem empiristischen Reduktionismus wie dem Mainstream theoretieloser, rein quantitativer Methoden. Leitkategorien seiner Forschung waren die zentralen Begriffe ‚Freiheit’ und ‚Gleichheit’. So sollte die Soziologie soziale Fragen („Gleichheit“) nur politikwissenschaftlich („Freiheit“) in Rücksicht auf Unfreiheit in der Gegenwart behandeln und Politikwissenschaft sollte sich auf die Auseinandersetzung mit der Entwicklung und Perspektive sozialer Ungleichheit richten.
Gegen die ‚ökonomische Perversion’ der modernen Gesellschaft in ihrer Orientierung auf uferlose Produktion und Konsumtion, Dirigismus, Bürokratisierung, soziale Kälte und Opportunismus setzte sich Landshut ein für Mitbestimmung, Wirtschaftsdemokratie und Selbstverwaltung. Sein wissenschaftliches Werk ist in dieser Hinsicht Vorbild für die Arbeit am ZÖSS. Es bietet auch heute noch zahlreiche Anregungen für aktuelle Forschungen in interdisziplinärer Perspektive.
Am Ende der Fahnenstange? Gegenwart und Zukunft des Wohlfahrtsstaates
Den einen gilt er als die größte Kulturleistung des 20. Jahrhunderts, den anderen als Auslaufmodell. Was in Deutschland als „Sozialstaat“, international als „Wohlfahrtsstaat“ bezeichnet wird, ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts umstrittener denn je. Die große Finanzkrise und in deren Folge die Staatsschuldenkrise der letzten Jahre hat die seit längerem anhaltende Erosion des Sozial-/Wohlfahrtsstaats noch beschleunigt. Für viele scheint nun das „Ende der Fahnenstange“ erreicht, der Sozialstaat, „wie wir ihn kennen“, in Zukunft immer weniger finanzierbar.
Warum eigentlich? Wurde zunächst die Globalisierung, d.h. die internationale Konkurrenz, als Hauptgrund für die Krise des Sozialstaats benannt, so wird heute – angesichts eines strukturellen Außenhandelsüberschusses – hierzulande vor allem die demografische Entwicklung als Menetekel beschworen! Der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter werde in den kommenden Jahrzehnten dramatisch zurückgehen. Und da nur Erwerbstätigkeit den Fonds schaffe, aus dem die sozialen Leistungen des Staates sich speisen, würden deren objektive Grenzen – selbst bei Vollbeschäftigung – immer enger; während Zahl und Anteil der LeistungsempfängerInnen, insbesondere der RentnerInnen und der Kranken bzw. der Pflegebedürftigen stetig steige.
Wie stichhaltig ist diese Argumentation? Welche Alternativen gibt es? Die eingeladenen Referentinnen und Referenten des Colloquiums hinterfragen die vorherrschenden Erklärungsmuster und stellen Alternativen vor, die auf eine solidarische und demokratische Neubestimmung wohlfahrtsstaatlichen Handelns zielen.