Fraktur. Weiblichkeit, der gebrochene Blick und das Nachleben der Shoah bei Boris Lurie - Prof. Dr. Katharina Sykora - Universität Hamburg
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09.11.2021
Fraktur. Weiblichkeit, der gebrochene Blick und das Nachleben der Shoah bei Boris Lurie
Vortrag der Trägerin des Wissenschaftspreises der Aby-Warburg-Stiftung 2021 im Rahmen des Jahresthemas »Bilder als Akteure des Politischen«.
Das Warburg-Haus bietet 2021 mit seinem Jahresthema »Bilder als Akteure des Politischen« den Raum, politische Bildphänomene in den Blick zu nehmen und Fragen der aktuellen Bedeutung politischer Bilder im globalen Kontext zu diskutieren. Die Politische Ikonographie ist ein historisch gewachsenes Bildphänomen, aber auch die wissenschaftliche Methode seiner Erforschung: In der Kunst- und Bildwissenschaft vermittelt sie ein Verständnis komplexer visueller Lebenszusammenhänge der modernen wie nachmodernen Welt und des politischen Wirkungspotentials von Bildern im Spektrum von Information bis Propaganda. Es war Aby Warburg, der an seiner Hamburger Kulturwissenschaftlichen Bibliothek den Grundstein zu ihrer wissenschaftlichen Erforschung legte, als er sie nicht nur in seine epochen- und gattungsübergreifende Bildforschung einbezog, sondern schon während des Ersten Weltkrieges ein Archiv zur politischen Propaganda des massenmedialen Krieges anlegte, das die agitatorischen Mobilisierungskräfte auf der Grundlage historischer Forschung zu konservieren und analysieren versuchte.
Katharina Sykora, Preisträgerin des Wissenschaftspreises der Aby-Warburg-Stiftung 2021, spricht in ihrem Festvortrag über das Nachleben der Shoah als zentrale Triebfeder in der Kunst Boris Luries. Es trägt Züge einer unabgeschlossenen Performanz, die ein absolutes »Zu spät« und das Echo »danach« zu einem Amalgam verschmilzt und im selben Zug als Bruch in Bild und Sprache hervortreibt. Harte Dichotomien von Tod und Leben, Gewalt und Begehren, Herrschaft und Sklaventum, Männlichkeit und Weiblichkeit klaffen so unversöhnlich auseinander und verkehren sich doch immer wieder bis zur Ununterscheidbarkeit ineinander.
Visualisierungen des Weiblichen nehmen dabei eine Schlüsselfunktion ein. An ihnen spielt Lurie neben den Bildern der Shoah die extremsten Formen von Alterität durch und nutzt sie, um über existenzielle Ausgrenzungs-,
Disziplinierungs- und Reinigungsmechanismen der westlichen Gesellschaften nach 1945 zu reflektieren. Mit dem provokanten Vorzeigen gesellschaftlich abgespaltener Bilder der weiblichen ›Nackten und Toten‹ und ihrer unentwirrbaren Vermischung bringt Lurie sich auch selbst als Künstler/Autor und uns als Betrachtende in ein gewolltes Dilemma zwischen Schaulust und Abwehr. Aus dieser Zerreißprobe von Verwerfung und Verstrickung wird niemand erlöst, auch nicht im Rahmen ästhetischer Ordnungssysteme.
Wiedergabe der Werke von Boris Lurie nach der fair use policy der Boris Lurie Art Foundation.
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Videoproduktion: eLearning-Büro der Fakultät für Geisteswissenschaften (uhh.de/gw-ebuero)
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