Visualisierung kultureller Sammlungen: Experimentelle Sichtbarmachung des digitalisierten Kulturerbes - Prof. Dr. Marian Dörk - Universität Hamburg
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Visualisierung kultureller Sammlungen: Experimentelle Sichtbarmachung des digitalisierten Kulturerbes
Über die letzten Jahre haben Archive, Museen und Bibliotheken viel Energie in die Digitalisierung ihrer Bestände investiert, was zu einer sukzessiven Verbreitung von Onlinesammlungen geführt hat. Dabei dominieren zwar noch die herkömmliche Textsuche den Zugang, allerdings gibt es ein wachsendes Interesses daran, neue Methoden des Arrangements und der Exploration von Kultursammlungen auszuprobieren. Das Ziel des dreijährigen Forschungsprojekts "Visualisierung kultureller Sammlungen (VIKUS)" ist, das Potenzial visueller Interfaces zur Sichtbarmachung des kulturellen Erbes zu erforschen. Der Vortrag gibt eine Einführung in das junge Forschungsgebiet der Sammlungsvisualisierung und zeigt aktuelle Techniken, die u.a. von WissenschaftlerInnen und Studierenden an der FH Potsdam gestaltet, prototypisch entwickelt und erforscht werden. Insbesondere werden Prototypen vorgestellt, die Makrosichten auf große Bestände, explorative Navigation entlang verknüpfter Objekte und visuelles Filtern von Sammlungsbereichen erlauben. Diese experimentellen Informationsvisualisierungen zeigen, wie die inhaltliche Struktur kultureller Sammlungen entlang verschiedener Facetten und komplexer Zusammenhänge sichtbar und erkundbar gemacht werden kann.
--- Digitale Medien und Technologien sind heutzutage ein selbstverständlicher Bestandteil unserer privaten wie beruflichen Alltagspraxis. Allerdings bleiben wir dabei in den meisten Fällen bloße ‚User‘, das heißt: Anwender von Geräten (Smartphones, Tablets, Notebooks etc.) und Nutzer von Informationsinfrastrukturen (Internet, Datenbanken, Social Media). Wir verwenden Vorhandenes je nach Bedarf und Funktionalität - aber was eigentlich unsere Bedarfe sind und welche Funktionen wir jeweils benötigen, darüber haben zuvor bereits die Systementwickler und Ingenieure entschieden, die uns bei unserer Praxis beobachtet haben. Zumeist ist das, was dabei dann am Ende herauskommt, eigentlich nur eine Emulation – eine Nachbildung – traditioneller Verfahrensweisen: alter Wein in neuen Schläuchen. Dafür allerdings hip und in HD!
Auf analoge Weise hat sich während der letzten 20 Jahre auch im Alltag der Geisteswissenschaften die Nutzung digitaler Medien und Technologien etabliert: selten zielgerichtet und als eine bewusst geplante methodische Innovation, sondern eher als eine schrittweise Emulation traditioneller Praxis mit neuen technischen Mitteln. Die Vorlesung wird deshalb zunächst einen Überblick über die digitalen Technologien und Verfahren geben, die heute in unterschiedlichen geisteswissenschaftlichen Disziplinen wie Archäologie, Sprachwissenschaften, Kunstgeschichte, Medienwissenschaften, Literaturwissenschaften, Musikwissenschaften etc. zum Einsatz kommen. Neben dieser Bestandsaufnahme und der Präsentation von Beispielanwendungen soll jedoch vor allen Dingen die Frage nach dem methodologischen und konzeptionellen Zugewinn thematisiert werden, den das neue Methodenparadigma der sog. ‚Digital Humanities‘ birgt oder bergen könnte. Zwei Thesen stehen dabei im Hintergrund: erstens, die Geisteswissenschaften sollten sich das neue Paradigma kritischer und selbstbewusster aneignen – Innovation, nicht Emulation traditioneller Praxis ist gefordert. Zweitens, der eigentlich Effekt des „Einzugs der Maschine in die Geisteswissenschaften“ ist konzeptioneller Natur: digitale Medien und Technologien, wenn sie reflektiert angewandt werden, erlauben uns die Bearbeitung von grundsätzlich neuen Forschungsfragen und eine neue Form des geisteswissenschaftlichen Forschens, die stärker als bisher auf Teamwork und Empirie setzt.