Spione, Charismatiker oder Opportunisten? Chinesische Zen-Meister im mittelalterlichen Japan - Dr. Steffen Döll - University of Hamburg
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Spione, Charismatiker oder Opportunisten? Chinesische Zen-Meister im mittelalterlichen Japan
Die buddhistische Überlieferung berichtet, dass der Buddha, bevor er aus dem Leben schied, keinen persönlichen Nachfolger benannte.
»Es könnte ja wohl sein, Ananda, dass euch der Gedanke käme: ›Dahin ist des Lehrers Wort. Wir haben keinen Lehrer mehr.‹ Nicht aber, Ananda, ist das so zu verstehen. Die Lehre, Ananda, und die Ordensregeln, die ich euch gezeigt …, die ist nach meinem Dahin-scheiden euer Lehrer.«
Nichtsdestotrotz erfordert jede religiöse Tradition charismatische Lehrer, Denker und Organisatoren, um den Fortbestand der Lehre zu garantieren und den neuen gesellschaftlichen und geistigen Entwicklungen anzupassen. Gilt das für die Schulen des Buddhismus weniger als für andere religiöse Traditionen? Die Vortragsreihe wird sich dieser und anderen Frage stellen und Licht auf die Bedeutung buddhistischer Persönlichkeiten werfen ― sowohl für die Vergangenheit als auch für die Gegenwart. Gibt es in den unterschiedlichen Kulturkreisen des Buddhismus typische Profile von Persönlichkeiten, die vorliegen müssen, um Führungsansprüche innerhalb der buddhistischen Traditionen aber auch darüber hinaus geltend machen zu können? Lassen sich allgemeine Kriterien finden, die herausragende buddhistische Persönlichkeiten einst und heute auszeichnen und sie im Lichte der Anhänger als einen würdigen Nachfolger des Buddha erscheinen lassen? Mit Vorträgen zu wichtigen Fallbeispielen aus Ostasien, Tibet und Thailand von drei internationalen Experten der Buddhismusforschung wird versucht, Antworten auf diese Fragen zu geben.
Frei und autonom; unkonventionell und ikonoklastisch ― so stellt man sich im Allgemeinen einen Zen-Meister vor. Der reiche Fundus an Anekdoten, die von solchen exzentrischen Persönlichkeiten erzählen, redet diesen Zuschreibungen das Wort, und die Rhetorik der Übermittlung des authentischen dharma von Herz zu Herz lässt ihrerseits keinen Raum für ein Tun, das sich nicht einzig und allein am Erwachen orientiert. Andererseits sieht sich der Buddhismus durch seine Geschichte hindurch mit spezifischen Situationen und soziopolitischen Entwicklungen konfrontiert, in denen die Vermittlungstätigkeit seiner Repräsentanten über Gedeih und Verderb der Tradition entscheidet. Die Laufbahnen chinesischer Zen-Meister, die im 13. und 14. Jahrhundert nach Japan kamen, bieten hier reiches Anschauungsmaterial: Sie wurden als Heilsfiguren mit offenen Armen willkommen geheißen oder entgingen nur knapp der Todesstrafe; genossen als Äbte der großen Klosterkomplexe von Kamakura und Kyoto höchstes Ansehen oder wurden an die Peripherie verbannt. Welche Beweggründe sie überhaupt nach Japan gebracht hatten, wie sie dort empfangen wurden, tätig waren und weiterwirkten, beleuchten ihre Schriften und Biographien, die im Rahmen des Vortrags exemplarisch vorgestellt und untersucht werden sollen.
Dr. Steffen Döll ist Wissenschaftlicher Assistent am Japan-Zentrum der Universität München, wo er zur Geschichte des ostasiatischen Buddhismus und der modernen japanischen Philosophie forscht und lehrt. Sein Interesse gilt insbesondere Transferprozessen zwischen China und Japan sowie jenen kulturellen Formen, in denen das Selbstverständnis der buddhistischen Tradition Niederschlag gefunden hat. Im Sommersemester 2013 war Döll Numata-Professor am Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg.